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Archiv-Artikel

DIE SCHIITEN IM IRAK WÜNSCHEN FÜR IHREN STAAT KEINE KOPIE DES IRAN Hakim ist kein neuer Chomeini

Es war eine beeindruckende Demonstration der Macht, als tausende Gefolgsleute die Rückkehr des schiitischen Geistlichen Ajatollah Mohammed Baqr al-Hakim im Irak zelebrierten. Den Westen erinnern die Bilder albtraumhaft an die Rückkehr Ajatollah Chomeinis im Iran und die Ausrufung der Islamischen Republik vor über 20 Jahren.

Doch Ajatollah Hakim ist nicht Ajatollah Chomeini. Hatte dieser bei den iranischen Schiiten fast den heiligen Status eines wiederkehrten Mahdis – eines religiösen Führers –, ist Hakim unter den irakischen Schiiten nur einer unter mehreren prominenten Klerikern. Niemand besitzt Chomeinis geistige Monopolstellung, und auch politisch sind Iraks Schiiten in mehrere politische Strömungen unterteilt. Hakim ist sich seiner Stellung bewusst und hatte bei seiner Ankunft ein bisschen für jeden im Gepäck. Einerseits redete er von einem nicht genau definierten islamischen Staat, andererseits verurteilte er religiösen Extremismus.

Hakim ist, wie übrigens allen anderen schiitischen Klerikern im Irak, klar, dass ein islamischer Staat derzeit nicht möglich ist. Selbst darüber, wie ein solcher langfristig geschaffen und konkret aussehen könnte, besteht alles andere als Einigkeit. Alle schiitischen Kleriker im Irak betonen, dass sie das iranische System nicht blind kopieren wollen. Die irakischen Schiiten erwarten von ihnen, dass sie etwas Eigenes schaffen, das der speziellen Situation des Irak mit all seinen religiösen und ethnischen Minderheiten gerecht würde. Das Letzte, was die Iraker wünschen, ist ein Bürgerkrieg.

Washington blickt misstrauisch auf die schiitische politische Führung. Eine Skepsis, die aber weniger aus deren Ideen über einen islamischen Staat herrührt als aus ihrem Verhältnis zur US-Besatzungsmacht. In seiner Ankunftsrede erklärte Hakim, die Iraker wünschten eine unabhängige, selbst gewählte Regierung. Die Iraker müssten ihr eigenes Land aufbauen und gegen jedes koloniale Projekt zusammenstehen. Damit spricht der Ajatollah einen gegenwärtigen irakischen Konsens an, den Washington mit oder ohne Hakim in Zukunft schwerlich ignorieren kann. KARIM EL-GAWHARY