Hajo Schiff Hamburger Kunsträume: Gold aus Scheiße
Findlinge im Flachland und Solitäre im Gebirge haben eine eigene skulpturale Aura. Sie wirken wie von Riesen bearbeitet und von Elfen benutzt oder als Versiegelung darunter begrabener Geheimnisse. Letzteres ist mehr als eine versponnene Mär, wenn sich Jeppe Rhode mit ihnen befasst. Der Künstler rückt den tonnenschweren Brocken mit Hebewerkzeug zu Leibe und platziert unter ihnen geheime Botschaften.
Diese kurzen Interventionen mit nachhaltiger Veränderung romantischer Wahrnehmung sind zurzeit in der Absolventenausstellung an der Hochschule für bildende Künste zu sehen. Wieder einmal werden rund 150 junge Menschen mit Bachelor- und Masterabschluss in die schwierige Welt der Kunstpraxis entlassen, um ihren Platz in Malerei und Bildhauerei, Bühnenbild und Performance, Film und Foto oder Design zu finden. Doch erst mal verwandeln sie die Hochschule in ein Großmuseum. Zu sehen sind phantasmagorische Plastiken oder kühle Paradoxien, singende Keramikvasen ebenso wie digitale Versuchsanordnungen.
Die traditionelle Tafelmalerei scheint stets ein wenig mit der Graffitiästhetik zu kokettieren, aber es sind, so bei Adrian Altinas, auch fast maßlos schön reduzierte Farbschleier zu entdecken, was aber, da in der Klasse von Prof. Reyle gezeigt, auch als warenästhetische Ironisierung dieser historischen Position durchgehen könnte.
Das Design wiederum befasst sich immer öfter nicht mit oberflächlich schönen Dingen, sondern mit Ökologie und entwickelt beispielsweise geschlossene Wasserkreisläufe zwischen Tomaten und Rosensaitlingen. Dass Hayato Mizutani auf einer Bildtafel alle Körner von einem Gramm Salz durchnummerierend erfasst, ist allerdings eher eine Meditation als wissenschaftlich lohnende Fleißarbeit. Es ist anscheinend sogar möglich, mit Kunst aus Scheiße Gold zu machen: Sonja Vollmer zeigt in ihrer Inszenierung voller Stroh und Dung eine Schatzkiste, in der sich Schmuck mit den nützlichen Tierhinterlassenschaften mischt.
Und wie steht es mit dem Glücksfaktor der schönen Künste? In der hippiesk bunten Installation von Alisa Tsybina sind „Sieben Minuten im Himmel“ zu genießen – aber nur heute von 17 bis 18 Uhr und nur, wenn der tobende Drache von Paul Spengemann gleich nebenan passieren lässt. Also auf zur frischen Kunst in die HfbK (Lerchenfeld 2, Finkenau 42 und Wartenau 15), noch bis Sonntag jeweils von 14 bis 20 Uhr.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen