Hajo Schiff Hamburger Kunsträume: Sich ein Bild machen
Was teilt ein Porträt über eine Person mit? Verweist das Bild auf einen Charakter, eine Funktion oder zumindest eine Rolle? Der Anlass für diese Frage ist weniger das neue Bildfenster über dieser Rubrik, als vielmehr die Erdgeschoss-Ausstellung, die der Hamburger Kunstverein anlässlich der Triennale der Photographie bis September dem Künstlerpaar Calla Henkel und Max Pitegoff gewidmet hat. Wie Set- oder Sammelkarten sind dort standardisierte Porträts in Gruppen zusammengefasst. Zwischen den wie aus dem Castingbüro entwendeten Bildern und den Betrachter*innen gehen die Blicke zuerst auch ziemlich ratlos hin und her: Was sind das für Menschen, was verbindet sie – und wieso tauchen manche in verschiedenen Gruppierungen auf?
Der Witz dieser an sich einfachen Bildreihungen ist, dass sie zum Leben kommen, wenn die Betrachter*innen und Mitdenker*innen selbst ihre Regiekompetenz entdecken und mit diesen angebotenen Gesichtern ihre höchst eigene Story besetzen. Und so sehr vielleicht ein Kopf in Frisur, Blick und Accessoire ein Klischee bedient, in den frisch erfundenen Storys ist dann doch jede Handlungsvariante offen.
An anderer Stelle trifft viel Freiheit auf eher negative Manifestationen: Birnentiere, verquer-böse Kuschelhasen, eine stacheldrahtbewehrte Hochsicherheitskrippe für einen Raubvogel, Baumleichen mit Wirbelknochen, bebeinte Schaukeln und frustrierte Sprachspiele. Die Visionen der Art-School-Alliance-Stipendiatinnen und ihrer wenigen männlichen Kollegen scheinen eher den traumatischen Erfahrungen dieser ja zurzeit nicht besonders harmonischen Welt nachzuspüren.
Und das international, denn was noch bis zum morgigen Sonntag in den von 14 bis 18 Uhr geöffneten Studios in der Karolinenstraße 2a zu sehen ist, sind Arbeiten aus dem Kunsthochschul-Netzwerk zwischen Hamburg und elf Städten aus aller Welt von Boston und Buenos Aires bis Schanghai und Wien, also ein wahrlich weltweiter Querschnitt junger Kunstproduktion.
Versöhnlich stimmen dann die Animationsfilme zum Jungen mit den Blumenhaaren und dem Mädchen mit seinem freundlichen Schatten, das projizierte ferne Universum und die Tür in eine wabernd-bunte andere Welt.
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