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Haftstrafe für Oppositionellen im KongoKabila wird ein Exempel statuieren

Nach Protesten gegen Präsident Kabila wird der Politiker Franck Diongo zu fünf Jahren Haft verurteilt. Dabei bestand die Chance auf Annäherung.

Proteste am 20. Dezember in Kinshasa, der Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo Foto: reuters

Berlin taz | Er sitzt auf einer Krankenbahre und hängt am Tropf, die Schirmmütze ist ihm tief ins Gesicht gezogen und zuweilen schließt er entkräftet die Augen. Die Videoaufnahmen vom kongolesischen Oppositionspolitiker Franck Diongo vor dem Obersten Gericht in Kongos Hauptstadt Kinshasa sorgen für Empörung unter Menschenrechtsaktivisten. Der Parlamentsabgeordnete wurde am Mittwochabend zu fünf Jahren Haft verurteilt. Zunächst zurück ins Krankenhaus Ngaliema gebracht, sollte er am Donnerstag trotz seines Zustands in Kinshasas berüchtigtes Zentralgefängnis Makala überstellt werden.

Diongo ist das bisher prominenteste Opfer der Verhaftungswelle, mit der die Regierung auf die Proteste am 19. und 20. Dezember gegen den Verbleib von Präsident Joseph Kabila im Amt reagiert. Diongo war am ersten Protesttag von der Präsidialgarde in seinem Haus verprügelt und verschleppt worden, nachdem seine eigene Leibwache drei Gardisten gefangen genommen hatte. Er sagte, er habe einen Mordversuch abgewehrt. Seine Anhänger sagen, er sei in Gewahrsam gefoltert worden. Verurteilt wurde er wegen illegalen Festhaltens von Angehörigen der Sicherheitskräfte. Die Staatsanwaltschaft hatte 15 Jahre Haft gefordert.

Das Urteil erging in Abwesenheit von Diongos Verteidigern. Die hatten die Verhandlung aus Protest verlassen: Sie monierten, dass Diongo erstinstanzlich vor das Oberste Gericht kam, gegen dessen Urteile keine Berufung möglich ist. Oppositionelle sagen, die Richter hätten das Urteil von höherer Stelle telefonisch diktiert bekommen – im Kongo nicht ungewöhnlich.

Diongo ist einer der bekanntesten Oppositionellen Kinshasas. Bei den Parlamentswahlen 2011 erhielt er im Wahlkreis Kinshasa I, der zwölf Abgeordnete stellt, die meisten Stimmen. Seine „Fortschrittliche Lumumbistische Bewegung“ (MLP) ist Teil des wichtigsten Oppositionsbündnisses „Sammlung“. Bei Gewalt in Kinshasa im September war die MLP-Zentrale Ziel eines Brandanschlages geworden und er selbst Objekt eines Ermittlungsverfahrens – trotz seiner parlamentarischen Immunität. Regierungsnahe Kreise sagen, er unterhalte eine radikale Jugendmiliz namens „Viper“.

Nun statuiert die Staatsmacht an ihm ein Exempel ausgerechnet in der heiklen Schlussphase der Gespräche zwischen der Kabila-Regierung und der „Sammlung“ über eine Übergangszeit bis hin zu Neuwahlen. Die katholische Kirche, die diese Gespräche vermittelt, erhofft sich eine Einigung noch vor Jahresende. Die steht nun in Frage.

Seit den Dezemberprotesten sind im Kongo Hunderte Menschen verhaftet worden, darunter Aktivisten der Jugendgruppen „Lucha“ und „Filimbi“. Von zehn von ihnen ist der Aufenthaltsort unbekannt. Die am Dienstag in Kinshasa freigelassene Lucha-Aktivistin Gloria Senga berichtete, sie habe elf Nächte in einer dunklen Armeezelle verbracht, mit einem Tisch als Schlafstätte.

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1 Kommentar

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  • Es war doch abzusehen, dass Kabila nicht gewillt war, die Macht abzugeben.

    Er darf laut kongolesischer Verfassung nicht mehr für das Präsidentenamt antreten und hätte die Präsidentschaftswahl für seine eigene Nachfolge organisieren müssen. Das hat er nicht gemacht, damit er als "Interimspräsident" bis mindestens 2018 bleibt.

    Also Zeit genug um Oppositionellen physisch zu beseitigen und die Verfassung auszuhöhlen. Und die ganze Welt schaut, wie immer, dabei weg.

    Wann wird sich das Schiksal von Millionen von Kongolesinnen und Kongolesen bessern?