Haftstrafe für Ex-Banker: Früher Star, jetzt in den Knast
Bei der Deutschen Bank galt Christian Bittar als „Starhändler“ – jetzt wurde er wegen Zinsmanipulation zu fünf Jahren Haft verurteilt.
Zwei Jahre später wurde er wegen der Manipulationsvorwürfe entlassen. Bittar, der das Urteil in London mit gesenktem Kopf entgegen nahm, hatte sich im im März schuldig bekannt. Von diesem Zeitpunkt an wird ihm auch die Untersuchungshaft angerechnet. Da die Hälfte der Gefängnisstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde, ist Bittar in zwei Jahren wieder auf freiem Fuß.
Sein Komplize, der ehemalige Barclays-Händler Philippe Moryoussef, wurde zu acht Jahren Gefängnis verurteilt – allerdings in Abwesenheit. Er hatte sich nach Bittars Geständnis nach Frankreich abgesetzt.
Der einstige Derivatehändler soll zusammen mit anderen Händlern von 2005 bis 2009 den Interbanken-Zinssatz Euribor zum eigenen Vorteil manipuliert haben, das europäische Pendant zum Londoner Libor. Von solchen Zinssätzen hängen Geschäfte und Verträge im dreistelligen Billionen-Volumen ab. Sie werden Referenz-Zinssätze genannt, weil sie angeben, zu welchen Konditionen sich Banken untereinander Geld leihen. Auch der für Geschäfte in Dollar wichtige Zinssatz Libor war manipuliert worden.
„Sie haben die Würfel gezinkt“
„Derivate-Handel wird oft als eine Art von Wette bezeichnet“, sagte Richter Michael Gledhill an Bittar gerichtet. „Sie haben das einen Schritt weiter getrieben und die Würfel gezinkt.“ Bittars Anwalt David Savell sagte, Bittar und seine Familie wollten die Sache hinter sich bringen und nach vorne schauen. Er sei psychisch und physisch erschöpft.
Moryoussefs Anwalt Francois de Castro sagte, sein Mandant sei fassungslos über das Urteil und überlege, den Fall vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EMGR) zu bringen. Der Prozess sei unfair. Eine Jury hatte ihn bereits in der vergangenen Woche für schuldig befunden, zwischen 2005 und 2009 den Euribor manipuliert zu haben. Die beiden Franzosen waren Freunde und gingen zusammen skifahren.
Bei der Berechnung der Referenzzinssätze hatten sie jahrelang getrickst, um diese damit in eine für sie vorteilhafte Richtung zu treiben. Das war nur möglich, weil die beteiligten Mitarbeiter die Zinssätze fast ohne Kontrolle festlegen konnten. Denn statt realer Daten – also Kosten von tatsächlichen Krediten – waren Umfragen Grundlage der Berechnung: Händler schätzten, zu welchem Zins sich ihr Haus von anderen Banken Geld leihen könnte. Wie realistisch diese Angaben waren, war kaum nachprüfbar. Für die Händler waren Tricksereien verlockend: Selbst geringe Abweichungen konnten Banken Millionen an Extragewinn bescheren – und den Bonus der Händler in die Höhe treiben. Bittar hatte für die Bank hunderte von Millionen verdient, bis zu elf Prozent davon gingen auf sein Konto.
Die Deutsche Bank kam in einer eigenen Untersuchung 2015 zu dem Ergebnis, dass „kein gegenwärtiges oder ehemaliges Vorstandsmitglied Kenntnis über das Fehlverhalten im Handelsbereich hatte oder daran beteiligt war“. Allerdings sah sich die Bank gezwungen, interne Abläufe und Aufsichtsmechanismen zu verschärfen. In dem Londoner Verfahren war die Deutsche Bank selbst nicht direkt beschuldigt.
Hohe Strafen für mehrere Institute
Etliche Institute mussten wegen der Zinsmanipulationen bereits hohe Strafen zahlen – die Deutsche Bank gleich mehrfach: Im Dezember 2013 verhängte die EU-Kommission 1,7 Milliarden Euro Bußgelder gegen mehrere Geldhäuser, die Deutsche Bank musste den Löwenanteil von 725 Millionen Euro tragen. Im April 2015 verglich sich Deutschlands größte Bank mit Behörden in den USA und Großbritannien: 2,5 Milliarden Dollar wurden fällig – die höchste bis dato verhängte Buße im Libor-Fall.
Im Oktober 2017 schaffte die Deutsche Bank in den USA Libor-Klagen von Börsenhändlern und 45 Bundesstaaten gegen Zahlung von 300 Millionen Dollar aus der Welt, im Februar 2018 einigte sich das Institut mit Investoren wie der Stadt Baltimore und der Yale-Universität auf einen Vergleich und akzeptierte eine Zahlung von 240 Millionen Dollar. Es laufen noch weitere Zivilverfahren, bei denen Firmen und Privatleute von der Deutschen Bank Schadenersatz als Ausgleich für Verluste wegen Zinsmanipulationen durchsetzen wollen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Scholz bezeichnet russischen Raketeneinsatz als „furchtbare Eskalation“
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung