berliner szenen: Hätte, hätte, muss zur Post
Es ist Samstagmittag, und ich muss noch zur Post. Also schwinge ich mich aufs Fahrrad, auf zur Schöneberger Hauptstraße. Dort soll die Post nach Internetrecherche noch zwanzig Minuten geöffnet sein. Dort angekommen, empfängt mich ein Zettel an der Tür, auf dem die neuen Öffnungszeiten verkündet werden. Samstags: geschlossen. Na toll, denke ich mir, drehe mich um und sehe an der Ampel einen Bekannten.
Wir kommen ins Plaudern, etwa eine halbe Stunde, bis ich zurück zu meinem Fahrrad gehe. Das habe ich an eine waagrechte Eisenstange angeschlossen, die am Postgebäude, wohl extra für Fahrräder, montiert wurde. Zwei ältere Frauen stehen mit ihren Fahrrädern vor meinem Rad. Ich bitte sie, mich vorbeizulassen, damit ich an mein Fahrrad komme. Doch anstatt mich durchzulassen, ruft die eine Frau empört: „Ach, Sie sind das!“ Ich schaue sie fragend an und bekomme als Antwort: „Sie haben Ihr Fahrrad sehr egoistisch angekettet!“ Ich merke, wie meine Nettigkeit schwindet, ich sage: „Egoistisch angekettet?“ Die andere Frau erklärt mir, dass ich mein Fahrrad mittig an der Eisenstange anschlossen hätte. Wäre ich weiter an den Rand der Stange gegangen, hätte man noch mindestens ein Fahrrad daran anschließen können. Ich betrachte ratlos die Eisenstange, dann die beiden Frauen. Ich sage: „Hier kann man doch überall sein Fahrrad anschließen. Warum kommen Sie mir denn mit Egoismus, das grenzt doch schon fast an Schikane!“
Die beiden Frauen werfen sich verschwörerische Blicke zu, dann sagt die eine: „Wir wollten Sie ja nur mal darauf hinweisen. Sie sind nicht die Einzige, die zur Post muss.“ Entnervt sperre ich mein Fahrrad auf, mache den Weg frei, sage: „So, jetzt haben Sie Platz genug. Und übrigens: Die Post ist samstags geschlossen.“
Eva Müller-Foell
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