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Hässlicher Clooney im KinoBrillante Drecksarbeit

Tilda Swinton und George Clooney brillieren in "Michael Clayton". Ihnen gelingt das Wunder, betörend schlecht auszusehen. Swinton erhielt für ihre Leistung einen Oscar.

Müde, überdrüssig und ein bisschen speckig: George Clooney. Bild: reuters

Es ist ein alter Trick, aber der versierte Drehbuchautor Tony Gilroy - der unter anderem die "Bourne"-Trilogie geschrieben hat - setzt ihn in seinem Regiedebüt "Michael Clayton" auf eine Weise ein, die das Alte daran vergessen lässt: Der Film beginnt mittendrin, führt die Handlung zu einem entscheidenden Wendepunkt, holt dann im Flashback das bislang Versäumte nach, schließt zum genannten Wendepunkt auf - der nun in anderem Licht erscheint -, um dann im letzten Akt zum Showdown zu kommen. Die hohe Kunst dieses Erzählens aus der Mitte heraus besteht darin, gerade genug Erklärungen zu geben, um den Zuschauer zufrieden zu stellen und doch so rätselhaft zu bleiben, dass sich die Spannung hält.

Die ersten Bilder von "Michael Clayton" zeigen die nächtlichen Flure einer jener Büroetagen, die selbst leer die Aura von Wichtigkeit ausstrahlen. Dazu ertönt eine Stimme aus dem Off, die konfuses Zeug redet. Von einer "Patina aus Dreck" ist da die Rede, und obwohl man nicht weiß, durch wessen Büro die Kamera streift und erst recht keine Ahnung hat, wem die Stimme aus dem Off gehört, versteht man doch, dass es im Folgenden in irgendeiner Form um schmutzige Machenschaften auf höchster Ebene gehen wird.

Das verrät auch der Habitus der von George Clooney gespielten Titelfigur, die, gezeichnet von Müdigkeit und Überdruss, eine nächtliche Pokerrunde verlässt. Kaum auf der Straße, erreicht ihn ein Anruf; er soll zu einem Klienten fahren, der soeben Fahrerflucht begangen hat. Der Klient sei sehr, sehr wichtig. Es wird eine unangenehme Begegnung. Aggressiv verlangt der Fahrerflüchtige nichts weniger als ein Wunder von Clayton/Clooney; er will ungestraft davonkommen. Er sei kein Wundertäter, sondern eine Putzkraft, antwortet der ihm.

Noch immer kennt der Zuschauer die Zusammenhänge nicht, aber er erfasst, wen er in Clayton vor sich hat: Einen Anwalt, der die Drecksarbeit macht und dabei brillant ist - allerdings nicht brillant genug, um wirklich ganz oben mitzuspielen. Seine latent aggressive Haltung verrät, dass zunehmend Zweifel an ihm nagen. Am Pokertisch war von Schulden die Rede, einem alkoholkranken Bruder und einem gescheiterten Restaurantprojekt. Außerdem hat er einen Sohn, den er selten sieht. Aber vielleicht ist es ja vor allem sein Gewissen, das sich meldet und die Rechtsverdreherei im Interesse zahlender Kunden leid ist.

Das alles muss sich der Zuschauer mehr erschließen, als dass er es erklärt bekommt. Regisseur Gilroy macht den Zuschauer zum beiläufigen Zeugen eines fremden Lebens, lässt ihn versprengte Sätze aufschnappen, zeigt Männer bei mysteriösen Handlungen und immer wieder Clooneys übernächtigtes Gesicht. Im Morgengrauen fährt Clooney schließlich durch eine lieblich-kalte Hügellandschaft. Auf einer Anhöhe erblickt er drei Pferde, die in diesem Moment wie Fabelwesen aussehen. Er hält an, steigt aus dem Auto aus, geht den Hang hinauf auf die Pferde zu und hinter ihm kommt es zur Explosion.

Es ist der zentrale Moment des Films, und nicht nur, weil die Handlung später noch einmal zu ihm zurückkehrt, gräbt er sich tief ins Gedächtnis. Das Schöne daran sind Rätselhaftigkeit und atmosphärische Dichte: der morgendliche Nebel, der kahle Baum, die Pferde im sachten Wind, das neugierige Gesicht Clooneys - pures Kino.

Danach fügen sich die Puzzleteile Zug um Zug an ihre vorhersehbare Plätze. Im Licht dieses magischen Moments aber erscheint die bekannte Geschichte vom bösen Konzern, der sein schädliches Tun verschleiern will und dem Rechtsanwalt, der sich daran nicht länger beteiligen möchte, vollkommen neu und aufregend.

Zwei Schauspieler tragen dazu im Wesentlichen bei: Das ist zum einen George Clooney selbst, der wie einst Cary Grant über jene natürliche Selbstironie verfügt, die es ihm ermöglicht, trotz seines guten Aussehens auf ungeheuer interessante Art und Weise schlecht auszusehen. Zu ganz großer Form läuft er hier auf, weil er in Tilda Swinton eine ebenbürtige Gegenspielerin hat. Im Film gehört sie zur Rechtsabteilung des bösen Konzerns, als Schauspielerin arbeitet sie ganz ähnlich wie Clooney. Auch sie verleiht ihren Figuren eine besondere Tiefe, indem sie gegen die eigene Schönheit anspielt.

Als Karen Crowder führt Swinton die innere Aushöhlung durch grenzenlosen Ehrgeiz vor Augen. Vor dem Spiegel übt sie Sätze der positiven Selbstdarstellung, bis sie sich selbst glaubt. Ihre intimsten Momente der Wahrheit erlebt sie bezeichnenderweise auf den öffentlichen Toiletten der Vorstandsetagen. Dort betrachtet sie "ungeschminkt" die Schweißflecken unter ihren Armen; in einer besonders ergreifenden Szene kotzt sie. Und doch hat man nie Mitleid mit ihr. Im Gegenteil, selten hat man den Niedergang einer Figur mehr herbeigesehnt als den dieser machtverführten Frau. Für die minutiöse Darstellung einer so unsympathischen Figur den Oscar, das heißt die rückhaltlose Bewunderung der Kollegen zu bekommen, das macht Tilda Swinton so schnell keiner nach.

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2 Kommentare

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  • A
    Astrid

    Hässlich wird er wohl nimmer, goodlooking George, aber die Ambivalenz zwischen Aussehen und Auszusehendem sozusagen will der Artikel wohl auch ausdrücken. Bisschen viel Handlungs-Nacherzählung, wenn man den Film schon gesehen hat, irgendwie auch keine letzten Wahrheiten in dem Film, aber sicher keine schlechtere Rezension als die in der ZEIT (dort: mäßig, fängt gut an, lässt stark nach) oder auf Spiegel Online (dort: vollkommen langweilig).

  • C
    Christian

    Eine sehr gelungene Kritik zu einem tollem und intelligentem Film wie ich finde. *thumbsup*