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Härtere Abtreibungshandhabung bahnt sich in Polen und Ungarn an

Warschau/Budapest (dpa) — Nach dem geplanten neuen polnischen Kodex der Ärzteschaft dürfen Mediziner keine Abtreibungen mehr vornehmen, es sei denn, das Leben der Mutter ist in Gefahr oder die Schwangerschaft ist auf ein Verbrechen zurückzuführen. Dieser auf einer Ärztetagung am Wochenende in Bielitz (Bielsko Biala) gefaßte Beschluß löste in Polen scharfe Kontroversen aus. An der Tagung hatten über tausend Mediziner teilgenommen. Nach heftigen Auseinandersetzungen verabschiedeten sie mit 354 gegen 317 Stimmen einen „Kodex der medizinischen Ethik“, nach dem jeder Arzt verpflichtet ist, das menschliche Leben von der Empfängnis an zu schützen. Er darf die Schwangerschaft auch dann nicht abbrechen, wenn das zu erwartende Kind fehlentwickelt ist. Pränatale Untersuchungen sind nur erlaubt, wenn die Vorteile für die Leibesfrucht und die Mutter größer sind als das Risiko. Für Zuwiderhandlungen kann ein Berufsverbot ausgesprochen werden. Der Kodex soll im Mai 1992 in Kraft treten. In der polnischen Öffentlichkeit wurde dieser Beschluß der Ärzte als Verstoß gegen das geltende Recht kritisiert. Der Gesetzentwurf für ein Abtreibungsverbot war im Parlament nicht durchgekommen. In Polen gilt zur Zeit noch die Fristenregelung.

Das ungarische Verfassungsgericht hat aus formellen Gründen das aus dem Jahr 1988 stammende Abtreibungsgesetz aufgehoben, nach dem eine Beendigung der Schwangerschaft während der ersten drei Monate unter bestimmten Bedingungen zulässig ist. Allerdings wurde dem Parlament eine Frist bis Ende nächsten Jahres für eine Neuregelung eingeräumt. Bis dahin gelten die alten Bestimmungen weiter. Das Gericht befand in seiner Entscheidung, daß die Frage der Abtreibung Grundrechte berühre und deshalb ein eigenes Gesetz diese Grundrechte festlegen müsse. So müsse bestimmt werden, ob ein Embryo rechtlich als Mensch zu betrachten sei. Wenn dem so sei, könnten Abtreibungen ausschließlich in Gesetzen und nicht wie bisher in Verordnungen geregelt werden. Zur Zeit können Ungarinnen eine Schwangerschaft abbrechen lassen, wenn sie schon zwei Kinder haben oder wenn medizinische Gründe vorliegen. In der Praxis wird diese zweite Möglichkeit sehr liberal interpretiert. Für ein Verbot der Abtreibungen setzen sich die erstarkende katholische Kirche und die Christdemokraten, der kleinste Partner in der Regierungskoalition, ein.

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