Habemus Kulturstaatssekretär: Ein neuer Sound für Berlin
Klaus Wowereit ist stolz, die freie Szene jubelt: Mit Tim Renner wird ein Mann mit alternativen Wurzeln Staatssekretär.
Als er noch Chef der Musiksparte beim Plattenmulti Universal Music Deutschland war, Ende der 90er, soll er E-Mails gelegentlich mit „Gott“ unterzeichnet haben. Jetzt wird Tim Renner, gebürtiger Berliner, einst glückloser Punkmusiker, später Musikmanager mit Fortune und Autor mit Sinn für Poesie („Wir hatten Sex in den Trümmern und träumten. Die Wahrheit über die Pop-Industrie“) immerhin schon mal Kulturstaatssekretär in Berlin.
Gestern Mittag bestätigte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) auf einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz eine Meldung der Zeitung Die Welt. Renner wird damit Nachfolger von Wowereit-Intimus André Schmitz, der Anfang Februar wegen hinterzogener Steuern zurücktreten musste.
„Neue Akzente“ erwarte er von Renner, ließ Wowereit wissen. Und: „Er ist ein bisschen unkonventionell. Das passt zu Berlin.“ Am Dienstag will der Regierende die Personalie dem Senat vorlegen, am 28. April träte Renner, aktuell noch Chef des Pop-Labels Motor Entertainment, den Posten offiziell an. Ihn reize die Verantwortung, in einem von Schmitz gut bestellten Haus weiter zu gestalten, sagte Renner.
In der Tat ist die Entscheidung für Renner durchaus schon als Akzent zu werten: Der 49-jährige Exgeschäftsführer der Deutschlandsparte von Universal Music gehörte nicht zu den Namen, die im Vorfeld diskutiert wurden.
Die ersten Reaktionen aus den Reihen des Koalitionspartners CDU und der Opposition fielen indes vornehm verhalten aus. „Mit seiner Vita könnte Renner für neue Schwerpunkte in der Kulturpolitik stehen“, erklärte CDU-Chef Frank Henkel im Konjunktiv.
Grüne: „Kein Kulturexperte“
Sabine Bangert, kulturpolitische Sprecherin der Grünenfraktion, sagte, Renner sei ein ausgewiesener Medien-, aber kein Kulturexperte. „Ich erwarte aber, dass sich der neue Staatssekretär um die gesamte Szene kümmert – und dazu gehört auch die Hochkultur“, sagte sie der taz.
Renner selbst versuchte, Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen: „Ich trenne nicht zwischen E und U. Für mich ist Kultur alles zwischen Barenboim und Berghain oder zwischen Radialsystem und Rammstein.“
Und die freie Szene? Unter Schmitz fühlte sie sich vernachlässigt. Im Dezember hatte sie sich auf Einnahmen aus der City Tax gefreut – die dann in den Landeshaushalt flossen. Entsprechend enthusiastisch reagierte man auf Renner, der selbst aus der freien Szene kommt. „Er weiß, wie Projekt- und Start-up-Arbeit funktioniert“, so der Sprecher der Koalition Freie Szene, Christophe Knoch.
Gut, der Mann trägt die Haare kreativ verstrubbelt – aber hat er nicht als knallhart kalkulierender Manager Karriere gemacht? „Die Grundhaltung stimmt“, glaubt Knoch. Und überhaupt: Man solle Renner erst mal Zeit geben, sich zu bewähren.
Erste Bewährungsproben stehen dem in Verwaltungsdingen unbeleckten Renner schon bevor: Der Neubau der Zentral- und Landesbibliothek auf dem Tempelhofer Feld wackelt wegen steigender Kosten, auch die Staatsoper-Sanierung wird immer teurer. „Die übliche 100-Tage-Frist wird Renner kaum haben können“, so der kulturpolitische Sprecher der Linksfraktion, Wolfgang Brauer. Es sei denn, er beweist einfach, dass seine alte E-Mail-Signatur kein Scherz war.
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