HSV in der Krise: Kein Widerstand, nirgends
Kann man noch schlechter spielen als der Hamburger SV gegen Hoffenheim? Die Verantwortlichen glänzen dennoch mit Durchhalteparolen.
SINSHEIM taz | Nachdem seine Mannschaft brav die Beschimpfungen aus der Kurve abgeholt hatte, erklärte Bert van Marwijk, er habe seine Mannschaft erst nach dem 0:3 durch Andreas Beck in der 61. Minute „desolat gesehen“. Vor diesem letzten Drittel der Partie, so analysierte der Trainer des Hamburger SV weiter, und insbesondere in der ersten Halbzeit habe seine Mannschaft aber „besser gespielt als in den Spielen zuvor“.
Selbst mit viel Respekt vor einem Trainer, der immerhin sein Heimatland Holland 2010 noch ins WM-Finale gecoacht hatte, erfüllte diese Analyse alle Kriterien einer gefährlichen Schönrednerei.
Eine realistische Frage ist eher: Kann man tatsächlich noch schlechter spielen, als der HSV dies am Samstag bei der TSG 1899 Hoffenheim tat? In Wahrheit agierte der HSV nämlich von der ersten Sekunde dieses Spiels an ängstlich und planlos.
Wer sich nach dem bitteren 0:3 auf die Suche nach möglichen Hinweisen für eine Wende beim stark abstiegsgefährdeten HSV machte, konnte beim besten Willen keine finden. Zum fünften Mal hintereinander verloren die Norddeutschen, doch es war nicht einfach nur eine Niederlage mehr. Die Hoffenheimer freuten sich in diesem auch für sie für den weiteren Saisonverlauf so wichtigen Spiel über einen Gegner, der nicht nur bei den Toren keinerlei Widerstand leistete.
Der Glaube schwindet
Seine Mannschaft kriege zu einfach Gegentore, das müsse sie abstellen, erkannte van Marwijk nach nun bereits 44 Gegentreffern, dem Spitzenwert der Liga. Aber wie? Van Marwijk vage: „Wenn ich nicht mehr dran glauben würde, müsste ich aufhören.“ Wahr ist auch: Nach nur zwölf Punkten in 13 Spielen unter seiner Regie schwindet der Glaube an eine Wende mit dem Trainer aus Holland. Van Marwijk erklärte indes ungerührt, er mache sich keine Gedanken um seinen Job.
Es ist aber tatsächlich eine spannende Frage, ob der HSV nicht noch einmal den Trainer wechseln muss, um doch noch den möglichen ersten Abstieg der Vereinsgeschichte zu vermeiden. Manager Oliver Kreuzer erklärte indes, der Trainer stehe nicht zur Debatte. „Van Marwijk ist der richtige Trainer für diesen Verein. Da muss man andere Dinge hinterfragen.“ Da hat er recht, zum Beispiel die Besetzung seiner Position.
Kreuzer hatte van Marwijk ja schließlich geholt und sich zuletzt von einer folgenlosen Brandrede zur nächsten gehangelt. Warum man bereit war, für diesen sportlichen Leiter eine Ablösesumme von weit über einer halben Million Euro an den Karlsruher SC zu zahlen, lässt die Hilflosigkeit in der HSV-Führung um Vorstand Carl-Edgar Jarchow erahnen.
Zum Armutszeugnis geriet für Kreuzer und van Marwijk, dass die beiden Zugänge des Winters, Ola John und Quasim Bouy, die schlechtesten Spieler in Hoffenheim waren und ausgewechselt wurden. Im Angriff gab man in der Winterpause Rudnevs an Hannover ab, der dort trifft, während beim HSV nach den Verletzungen von Lasogga und Beister Alternativen fehlen.
Kein trainigsfreier Montag
Am Sonntagmorgen redete Kreuzer mit der Mannschaft, danach sprach er von „einer schwierigen Situation“, dass man nun „hart arbeiten“ müsse und diese Mannschaft „erstligareif“ sei. Bei seiner Vorstellung im Sommer hatte Kreuzer noch von der Europapokalteilnahme geredet, und ähnliche Durchhalteparolen hatte man von ihm schon letzte Woche vernommen, nach dem 0:3 zum Rückrundenauftakt gegen Schalke.
Der Trainer lieferte zusätzliche Angriffsfläche, als er sich und seinen Profis nach dem Schalke-Desaster zwei freie Tage gönnte. „Dies“, so Kreuzer, „wird es so nicht mehr geben.“ Am Sonntag strich van Marwijk den trainingsfreien Montag.
Vielleicht hilft dem HSV ja nur der große Befreiungsschlag – so wie in der vergangenen Runde Hoffenheim. Bei denen kamen mitten in der Saison Manager Andreas Müller und Trainer Marco Kurz – und mussten noch vor Ende der Saison wieder gehen. Ohne die Doppelentlassung wäre die TSG wohl abgestiegen.
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