: HOLTERDIPOLTER
■ „Menschlinge“ vom Tanztheater Rubato in der Tanztangente
Vom japanischen Butoh-Tanz, dessen Studium in Tokio Jutta Hell und Dieter Baumann vom Tanztheater Rubato in ihren Programmheft-Kurzbiographien nachweisen, sagt man, er sei aus dem Schlamm geboren. Von der Körpersprache des Rubato -Duos könnte man analog behaupten, daß hier die Geburt des Tanzes aus dem Geiste eines schwäbischen Dunghaufens erfolgreich vollzogen wird.
„Soll i oder soll i net, naus aus meinem Haus?“ fragt sich Dieter Baumann zu Beginn des Stückes Menschlinge wie eine Maus, die zwar die Katze in konkreter Gestalt noch nicht gesehen hat, allein schon die Idee der Katze ahnt. Lebensbewältigung ist gefragt, und dazu gehört aus der Sicht der Menschlinge ausführliches, genußvolles Wasserlassen und Wackeln mit dem Bürzel. Sie scheinen sich in der fremden Welt durch Geruchsmarkierungen ihre Heimat und Zugehörigkeit zu erobern.
Bei ihren derben und grotesken Bewegungen erwecken Hell und Baumann manchmal den Eindruck, als hätten sie krampfhaft nach Tabugrenzen des alltäglichen Körperempfindens gesucht, um auf Teufel komm raus darauf herumzutrampeln; doch überschätzen sie die Provokation ihrer Gesten und dehnen sie teils bis zur Langeweile aus. Sie weichen jeder Ästhetisierung, der es auf die Illusion von Leichtigkeit und Anmut ankommt, aus und knallen mit dicken Schuhen über den Tanzboden. Polka, Schuhplattler, Step und die Freudentänze der Fußballer bestimmen ihre Bewegungen, durch Kreuzung und Reduzierung zu einem eigenartigen Kunstsportzwitter stilisiert. Bei ihren Sprüngen am Ende, denen man wieder gebannt folgt und sich unwillkürlich dabei die Ellenbogen hält, hechten sie, wie ein Torwart, der knapp den Ball verfehlt, in die Luft und stürzen krachend nieder. Daß hierzu Ulrich Hanbürger, ihr Musiker, noch bedeutungsreich von Umweltzerstörung und vergeblicher Natursehnsucht rapt, paßt wie die Faust aufs Auge: ausgeknockt gehen die Menschlinge zu Boden.
KatrinBettina Müller
Tanztheater Rubato, Menschlinge, in der Tanztangente, Kuhlighofstraße 4, am 21., 22. und 23.Oktober um 20.30 Uhr.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen