HOCHSCHULE: Rückmeldegeld retour
Senatsverwaltung reagiert auf Verfassungsgericht in Sachen Rückmeldegebühr - jetzt gibt es auf Antrag Geld zurück.
Wer zwischen 1996 und 2004 in Berlin studiert hat, kann sich freuen: Die Rückmeldegebühr von 51 Euro pro Semester wird zurückgezahlt. Im November hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Gebühr zu Unrecht erhoben wurde.
Offen blieb bisher aber, ob die Sache nicht inzwischen verjährt ist. Knapp drei Monate dauerte die Prüfung der Senatsverwaltung für Wissenschaft. Jetzt liegt das Ergebnis vor, dass „allen […] von ehemaligen Studierenden geltend gemachten Ansprüchen auf Rückerstattung verfassungswidrig erhobener Rückmeldegebühren stattzugeben ist“. So heißt es in einem Schreiben der Senatsverwaltung an alle Universitäten sowie an den Anwalt Michael De Saavedra-Mai, der mehrere Dutzend Studierende in der Angelegenheit vertritt.
Das bedeutet: Alle Studierenden aller Universitäten und Fachhochschulen erhalten das Geld zurück. Dabei ist egal, ob sie es damals unter Vorbehalt bezahlt haben. Sie müssen allerdings einen Antrag bei ihrer Hochschule auf Rückzahlung stellen. Ein besonderes Formular ist nicht nötig, ein Musterschreiben gibt es auf der Website des Astas der Humboldt-Universität. Der Anspruch auf Rückzahlung verjährt erst Ende dieses Jahres. In der Summe handelt es sich um einen "hohen zweistelligen Millionenbetrag", so ein Sprecher von SPD-Wissenschaftssenatorin Sandra Scheeres.
Im Jahr 1996 hatte die Koalition aus CDU und SPD die Gebühr eingeführt. Eine „Initiative gegen Studiengebühr“ organisierte Demonstrationen, sammelte 20.000 Unterschriften, 2.500 Studierende zogen vor Gericht. Eine Sprecherin des Wissenschaftssenators sagte damals, die Gebühr werde „mit Sicherheit“ nicht zurückgenommen: „Die Menschen müssen sich daran gewöhnen, dass Staatsleistungen in Zukunft nicht mehr umsonst zu haben sind.“ Der Staat lasse sich nicht „erpressen“.
Im November erklärte das Bundesverfasungsgericht die Rückmeldegebühren für verfassungswidrig. Denn Gebühren dürfen – anders als Steuern – nur für einen bestimmten Zweck erhoben werden.
Laut der Begründung des Gesetzes von 1996 sollte die Gebühr von damals 100 Mark die Verwaltungskosten für die Rückmeldung decken. Doch in Wirklichkeit lagen diese Kosten nur bei 22,41 Mark – ein „grobes Missverhältnis“, so das Verfassungsgericht. Die Entscheidung der Senatsverwaltung, das Geld an alle Studierenden zurückzuzahlen, sei nun „die Konsequenz aus diesem Urteil“, so Anwalt De Saavedra-Mai.
Schon vor ein paar Jahren dämmerte dem Land, dass die Gebühr rechtswidrig ist. Es schaffte sie aber nicht ab. Sondern erweiterte einfach den Verwendungszweck: Seit 2004 müssen Studierende die 50 Euro pro Semester nicht mehr allein für die Rückmeldung, sondern auch für die Studienberatung, die Arbeit der Prüfungsämter und für die "Benutzung von Einrichtungen" zahlen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Im Gespräch Gretchen Dutschke-Klotz
„Jesus hat wirklich sozialistische Sachen gesagt“