piwik no script img

■ H.G. HolleinKosten und Mühen

Die Frau, mit der ich lebe, drängt gelegentlich darauf, daß ich mich dem Alltag stelle. Darum bin ich gestern auch wieder einmal Bus gefahren. Ein bereits im Ansatz verfehlter Versuch. Die neue „Geldkarte“der Deutschen Bank – „Statt Kleingeld: Für Ihre kleinen täglichen Ausgaben“– stieß beim Fahrer auf kühle Ablehnung. Nach mehrminütigem remonstrieren mußte ich mich schließlich doch von meinem Hartgeld trennen und war dazu noch bis zum Busbahnhof Altona deutlich spürbaren Anfeindungen meiner Mitpassagiere ausgesetzt. Die Gefährtin hatte ausdrückliche Anweisung gegeben, einen biologisch angebauten Weißkohlkopf zu erstehen. Ich tat, wie mir geheißen, und daran wäre an sich nichts Besonderes, wenn mir nicht bei einem flüchtigen Blick auf einen anderen Marktstand aufgegangen wäre, daß mit dem biolgischen Anbau eine Wertsteigerung um über 350 Prozent verbunden ist. Die Gefährtin erwies sich gegenüber meinen begeisterten Ausführungen über die langfristigen Rendite-Aussichten bei sofortiger Wiederanlage allerdings als unzugänglich. Vielmehr sandte sie mich umgehend aus, noch schnell bei IKEA einen neuen Flickenteppich für die Küche zu erwerben. Die Folge war ein existentieller Orientierungsverlust zwischen Pillepalle und Billibo. Der Teppich sollte nach dem Willen der Gefährtin unbedingt waschmaschinentauglich sein. Ich versuchte mein Bestes, verbindlichen Bescheid zu erhalten. Allein, ich scheiterte kläglich. Aber ich weiß jetzt: In der Hölle von Schnelsen kämpft jeder für sich allein. Der anschließende Nahrungsmittelerwerb bei toom in Altona war auch kein Spaß. Parkplätze für Frauen, Parkplätze für Mütter, Parkplätze für Behinderte. Vom bitteren Gefühl des Ausgegrenztseins durchdrungen kehrte ich heim und suchte klagend Halt an der Schulter der Gefährtin. „Ja, Schatz“, sagte sie und spaltete den Weißkohl.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen