■ H.G. Hollein: Allein außer Haus
Die Frau, mit der ich lebe, war gestern zur Geburtstagsfeier eines Kollegen eingeladen. Eigentlich sollte ich nur mitkommen, weil die Gefährtin „da sonst niemanden kenne“. Wie es sich so fügte, lag die Gefährtin nun aber mit einer heraufziehenden Grippe, einer Wärmflasche und der Katze, die mich duldet, im Bett. „Geh wenigstens du hin“, erklang es von dort aufopferungsvoll. Und: „Amüsier dich, aber komm nicht so spät.“Das schließt sich im Grunde aus, aber ich machte mich trotzdem auf den Weg. Es waren zumeist jüngere Menschen anwesend. Gleich in der Küche stieß ich auf eine kleine Schar, die sich mit lustigen Interna aus dem philosophischen Seminar unterhielt. Ich schmunzelte zwar hin und wieder kundig mit, fand aber irgendwie nicht so recht den Einstieg, um mich mit meinen universitären Erfahrungen aus den 70er Jahren als charmanten Plauderer in die Gruppe einzubringen. Statt dessen wurde ich von Neuankömmlingen wiederholt nach dem Aufbewahrungsort des Flaschenöffners und den Zutaten der Suppe gefragt. Es schien, als ob man in mir einen häusliche Kompetenz austrahlenden älteren Mitbewohners des Gastgebers vermutete. Nach einigen eher vagen Auskünften zog ich mich aus der Küche zurück und folgte vor dem Klo einem 30-minütigen Dialog über einen gewissen Tschumbawumba, der offenbar als zeitgenössischer Komponist von einiger Relevanz ist. Da der Subtext des Gespräches allmählich einen merkbar intimeren Charakter annahm, zog ich mich auch hier bald feinfühlig zurück. Im mittlerweile überfüllten Wohnzimmer stieß ich dafür zu einer Sitzgruppe, die sich in einem heftigen Disput über eine mir nicht ganz einleuchtende Verbindung zwischen Nirvana und Fußball befand. Ich drang mit meinen – behutsam formulierten – Thesen zum Buddhismus denn auch nicht recht durch. Bald darauf gelang mir im Trubel der mitternächtlichen Gratulationscour ein würdiger, wenn auch kaum bemerkter Abgang. Im deutlichen Bewußtsein meiner Jahre kehrte ich durch Kälte und Regen heim. „Du bist ja ganz schön lange geblieben“, empfing mich die Gefährtin, fügte ein verhalten vorwurfsvolles „War's nett?“hinzu und entschlief, während ich noch geraume Zeit über eine souveräne Replik nachsann.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen