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■ H.G. HolleinZurück

Die Welt, die sich unter meinen Füßen dreht, steht in Wahrheit still. Der Wiedereintritt in die Alltagsatmosphäre nach vier Wochen Urlaub läßt einfach keine andere Deutung zu. Wie sonst ließe sich erklären, daß in dem Büro, in das ich morgens gehe, die Kollegin am Schreibtisch gegenüber in genau der gleichen Haltung und in genau dem gleichen fliederfarbenen Pullover an genau der gleichen Laugenbrezel knabbert? Die Zeit hat hier offensichtlich keine Spuren hinterlassen, und genauso offensichtlich hat auch niemand auf einen Märchenprinzen – mich – gewartet, der dieses Dornröschenschloß wachküssen müßte. Das lehrt Demut, ebenso wie die Erkenntnis, daß zu einer reibungslosen Auftragsabwicklung die eigene Gegenwart durchaus verzichtbar ist. Andererseits fragt man sich nach den ersten Routinehandgriffen, ob man überhaupt je weg war. Und bei der Beantwortung interessierter Fragen à la „War's schön? Wo wart ihr denn?“ verliert im vierten Durchlauf selbst das eindrücklichste Erlebnis an Tiefe und Farbe. Es gibt schließlich wichtigeres als den Anblick der untergehenden Sonne am südlichsten Punkt Europas. Eine verpaßte U-Bahn etwa, weil der 111er mal wieder auf der Stresemannstraße steckengeblieben ist. Selbst in den Zeitungen steht immer noch dasselbe. Es kann natürlich sein, daß in der selbstverhängten 30tägigen Nachrichtensperre der eine oder andere Krieg stattgefunden hat, ohne daß man dazu bedenklich den Kopf geschüttelt hätte. Zumindest ist Hamburgs Bürgermeister immer noch Ortwin Runde. Obwohl: physiognomisch und inhaltlich könnte das ja auch Dirk Fischer minus Jürgen Möllemann sein – oder umgekehrt. Übereinandergelegt bleibt von den dreien schließlich nur ein Phantombild übrig. Letztlich ist eben alles relativ. Trotzdem waren die vier Wochen irgendwie ganz schön.

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