■ H.G. Hollein: Guter Rat
Die Frau, mit der ich lebe, verspürt offenbar ein Defizit an praktischer Lebenshilfe. Die findet sie seit geraumer Zeit in der Fernsehwoche. Das ist ein sogenanntes Printmedium aus dem Hause Bauer und enthält Hinweise, wie „Bratwurst zum Schlankmacher wird“. Mit „reichlich Vollkornsenf“ nämlich. Der ist zwar nicht immer zur Hand, aber die Gefährtin hat schon mal laut über ein Pöttchen mit Trage-Lasche nachgedacht. Ich könnte mich natürlich einfach weigern, mit so einem Ding hinter ihr herzulaufen, nur hat sie bereits auch die Rubrik „Siegen auf die sanfte Tour“ ver-innerlicht. Da steht zwar: „Mit schriller Stimme erreichen wir gar nichts“, aber leider haben die Autoren gerade diesen Aspekt nicht weiter ausgeführt. Was hilft's. „Schreier haben kein Charisma“, weiß die Fernsehwoche. Meinen Einwand, daß dann Person und Karriere Adolf Hitlers offenbar völlig neu bewertet werden müssen, beantwortete die Gefährtin – ganz sanfte Siegerin – anleitungsgerecht mit weichem Lächeln und einem klangvoll-warm vokalisierten „Du Arsch!“. Tatsächlich enthält die Fernsehwoche aber auch wahrhaft Nützliches. Etwa den Hinweis auf „stillschweigenden Haftungsverzicht beim Umzug“. Das heißt ja wohl, ich kann bei Freundin S. zertrümmern, was ich will, wenn ich demnächst gezwungen werde, beim Verladen ihrer Habe mit Hand anzulegen. Und schließlich gibt es noch die Abteilung „Gesund und schön“. So will ich die Gefährtin sehen, aber ich werde ums Verplatzen nicht in eine Apotheke gehen, um „Jinda-Tabletten aus Cimicifugawurzelstock-Trockenextrakt“ käuflich zu erwerben. Da schicke ich die Gefährtin doch lieber ins „Kurhotel Brenstein bei Detmold“. Das preist die Fernsehwoche „als Beauty-Farm zum Schnupperpreis“. Da kann die Gefährtin dann „im reizvollen Lipperland“ unter ihrer Schlammpackung brodeln.
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