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■ H.G. HolleinZeit und Raum

Die Frau, mit der ich lebe, neigt gelegentlich zur Ungeduld. Ich nicht. Wenn wir mit 40 Kilometern pro Stunde gemächlich Richtung Süden durch den Elbtunnel rollen, hält sie das schon für einen Stau, und ihren liebreizenden Lippen entfleucht gar manch unfeiner Fluch. Den Hinweis, daß sie zu Postkutschers Zeiten schon einen ganzen Tag gebraucht hätte, um auch nur bis Harburg zu kommen, tut die Gefährtin günstigstenfalls als relativistischen Historismus ab. Ganz dem Hier und Jetzt verhaftet, muten sie auch die 692 Mark für einen sechsstündigen Flug nach New York angesichts der faden Bordverpflegung als blanker Wucher an. Meinen schüchternen Einwand, daß Kolumbus nach 72 Tagen auf der gleichen Route a) am falschen Platz und b) skorbutbedingt ein paar Zähne leichter von Bord ging, quittierte die Gefährtin mit dem lapidaren Bescheid: „Wenn du das so toll findest, dann lern doch segeln!“ Andererseits weiß die Gefährtin ein aufgezwungenes Innehalten sehr wohl erkenntnisoptimierend zu nutzen. Diverse Warteschleifen auf Bahnhöfen, Flughäfen und Fährterminals haben dem gemeinsamen Haushalt mittlerweile zu einer erklecklichen Sammlung von „Diana“-Biographien und der Gefährtin zu einer intimen Vertrautheit mit dem englischen Königshaus verholfen. Ich hingegen bin jedem Interesse an derartig ephemeren Kapriolen abhold und übe mich bescheiden in der Kunst des kontemplativen Seins. Die Zeit vergeht schließlich auch so, was brauche ich einen wie auch immer gearteten Vertreib. Daß ich daher – ob meines intensiven Wahrnehmens schier endlos sich dehnender Wartezeit – subjektiv langsamer lebe als die schnellesende Gefährtin, wird allerdings immer alsbald mit Sorge vermerkt. „Wenn du ohnehin nur dasitzt wie Buddha, kannst du mir auch einen Kaffee holen“, müht sie sich dann liebevoll, mich aus meinem apathischen Dämmer zu reißen. Und vielleicht ein Brötchen. Und Zigaretten. Und mal fragen, wie lange es noch dauert. Und...

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