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■ H.G. HolleinKreuzwege

Die Frau, mit der ich lebe, war mal im Gespräch. Als Milupa-Baby. Es existiert da ein Foto, auf dem ein Nackedei mit roten Bäckchen und gerade mal zwei Milchzähnen oben auf die Kamera zukrabbelt. Das war Mitte der 50er Jahre. Nur haben die Eltern der Gefährtin damals beschlossen, dass aus ihrer Ältesten was Anständiges werden solle und widerstanden tapfer dem lukrativen Locken der Möhrenbrei-Lobby. Wenn ich da-ran denke, dass ich heute der Mann an der Seite einer ehemaligen Miss Milchpulver sein könnte, überkommt mich eine nicht unbeträchtliche – durchaus auch pekuniäre – Frustration. Aber wer weiß, in welche Party- und Drogenexzesse die Gefährtin beizeiten abgestürzt wäre? Als abschreckendes Beispiel für den Hang zum losen Leben in der Familie H. muss hier auf deren Rauhaardackel P. verwiesen werden. Selbiger war von einem Fotografen und Freund des Hauses als Werbeträger in Sachen Kauknochen ins Auge gefasst worden. Nur ließ sich P. lieber in nahe stehenden Bauwagen mit Leberwurst und Bier abfüllen und stellte so – ob des daraus resultierenden angeduselten Zustands – für jedes Foto-Shooting ein unkalkulierbares Risiko dar. Der sichere Griff nach verpassten Chancen ereilte auch die jüngere Schwester der Gefährtin. Verschlug es sie doch einst bei einem festlichen Diner der örtlichen Arbeiterwohlfahrt als Tischdame neben einen aufstrebenden jungen Lokalpolitiker, der – so zumindest kolportiert es die Gefährtin – seine glitzernden Äuglein gar nicht von der eben erblühten Nachbarin lassen mochte, die ihrerseits allerdings keusches Unverständnis mimte. So konnte das natürlich nichts werden mit der Gattin eines zukünftigen Oberbürgermeisters, Ministerpräsidenten und – nun ja – Bundesministers. Und so bleibt den jeweiligen aktuellen Gefährten denn nur ein elegisches Sich-Abfinden mit dem, was ist. Zumindest strahlt die Gefährtin noch heute bäuchlings auf einem Flokati den gleichen Charme aus wie weiland als Säugling.

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