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Archiv-Artikel

HEUTE IN BREMEN „Der Rat war gegen Prasserei“

Die Handelskammer präsentiert ein Buch über großbürgerliche Gelage

taz: Herr Berthold, wozu ein Buch über Kaufmannsgelage?

Klaus Berthold, Vorsitzender Club zu Bremen: Das Schaffermahl kennen viele Bremer, doch es gibt andere traditionelle Gesellschaften wie das Schmeckemahl, die Januargesellschaft oder das Tabak-Kollegium, die bestenfalls vom Namen bekannt sind. Bremen hat viele dieser Traditionen aus dem Mittelalter bewahrt, wenn sich auch im Laufe der Jahrhunderte vieles geändert hat.

Sie schreiben von „Entwicklungszusammenhängen in der europäischen Tischkultur“. Hat das Schaffermahl die großbürgerlichen Sitten anderer Länder beeinflusst?

Umgekehrt. Im Mittelalter gab es statt Tellern nur Brot, das nach einem Mahl entweder aufgegessen oder den Armen gegeben wurde. Man aß mit mehreren Leuten aus einer Schüssel. Doch die Peinlichkeitsgrenze stieg, als ausgehend vom französischen Hof Geschirr aufkam. Auch dies wandelte die Bremer Tischgesellschaften. Besteck wurde, weil es unüblich war, zu jener Zeit oft im Waffenköcher mitgeführt. Daher auch der Name: Beisteck. Doch es gab auch Wandlungen des Charakters der Feste.

Zum Beispiel?

Mit Beginn der Reformation hat der Rat darauf gedrängt, dass die Sitten strenger werden. Es gab Vorschriften, wie viele Leute zu einer Hochzeit eingeladen werden dürfen oder welche Gewänder dabei getragen werden dürfen. Er versuchte die großen Mahlzeiten zu reduzieren und Druck auf die Schaffermahlzeit auszuüben.

Mittlerweile findet das Schaffermahl im Rathaus statt. Das Verhältnis hat sich also wieder entspannt?

Der Rat war ja nicht gegen die Schaffer oder die Kaufleute, sondern nur gegen Prasserei. Er hat auch seine eigenen großen Feste abgeschafft. Dass das Schaffermahl im Rathaus stattfindet liegt daran, dass das „Haus der Seefahrt“ im Krieg zerstört wurde. Der neue Seefahrtshof in Grohn ist nicht groß genug.

Interview: Christian Jakob

Klaus Berthold: „Bremer Kaufmannsfeste – Rituale, Gebräuche und Tischsitten der bremischen Kaufmannschaft“, Carl Schünemann Verlag (29,80 Euro).