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Archiv-Artikel

HERMANN-JOSEF TENHAGEN HAUSHALTSGELD Urlaub in Greetland 21

Es ist so schön ruhig in Ostfriesland. Dachten wir. Aber nun streiten sich die Bewohner der Fischerorte darum, welches Großprojekt ihre Feriengäste brauchen. Und vergessen darüber einfache Dinge – wie nasse Gummistiefel

Stuttgart ist überall. Selbst in einem malerischen ostfriesischen Fischerort namens Greetsiel in der Gemeinde Krumhörn, wo es die Sonne an Silvester gut mit uns Feriengästen meinte. Während der Rest der Republik grau blieb und die Nachrichtensprecherin vor Eisregen warnte, wollten wir auf Wattwanderung gehen.

Der Schnee schmolz und die Wege wurden wieder befahrbar. Die vereiste Landschaft strahlte genau die Ruhe aus, die wir gesucht hatten. Aber mitten in dieser Winterwelt hingen überall an den Straßenrändern handgemalte Plakate. Protest gegen ein Großprojekt.

Beim Aufschlagen der Lokalzeitung fanden wir zunächst Meldungen, nach denen die Geschäftszahlen der Hotels und besonders der Vermieter von Ferienwohnungen in der ostfriesischen Gemeinde Krummhörn in vergangenen Jahr nicht gut waren.

Was für uns zur Ruhe beitrug, sorgte in den Orten für Streit. Für den Ortsvorsteher des Krummhörner Dorfes Greetsiel, Alfred Jacobson, waren die ausbleibenden Touristen ein willkommener Anlass, in der Zeitung noch einmal für das ostfriesische Bauprojekt dieser Tage zu werben, sozusagen Stuttgart 21 auf friesisch. Von 80 Millionen Euro ist die Rede, die ein Investor mit Namen Kay Schwarz in einem Ferienpark mit dem schönen Namen Greetland investieren will. Das neue Angebot soll den Tourismus in der Region beflügeln. Ortsvorsteher Jacobsen rief die Befürworter zum Jahresende auf, sich endlich zu Wort zu melden.

Der Gegenwind ist beträchtlich. Im abgelaufenen Jahr sammelten die Vertreter der anderen Seite bei Touristen schon tausende Unterschriften gegen das Projekt. Es gründete sich eine Bürgerinitiative namens „Stopp Greetland“ mit dem Motto: „Es ist noch nicht zu spät!“ Und auf der Website der Ostfriesen-Zeitung sorgte der Aufruf des Ortsvorstehers für eine Debatte. „Kompetenzüberschreitung“ werfen die Greetland-Gegner Jacobsen vor. Das Denken seiner Kritiker „kommt noch aus der Zeit, als das Pferd das schnellste Fortbewegungsmittel war“, keilt der zurück. Er lasse sich solche Zeitungsaufrufe nicht verbieten: „Wir leben nicht in Weißrussland.“

Wir machten uns auf zur Wattwanderung des Nabu. Am Trockenstrand von Upleward ließen wir uns von der Wattführerin mit farbiger Kreide erklären, wie das mit den Gezeiten funktioniert. Gut gelaunt stiefelten die ersten Gäste der Wattführerin hinterher, obwohl die mit ihren hohen Stiefeln doch recht weit im eisigen Watt versank.

Ein besonders engagierter Vater klemmte seinen Sohn unter den Arm, damit dessen Füße trocken bleiben, dafür liefen nun die Stiefel des Vaters voll. Die Wattführerin erkannte das Malheur und blies die große Tour schließlich ab.

Ich weiß nicht, ob das Disney-, Never- oder Greetland von Ostfriesland eine gute Idee ist. Als Tourist – und damit als Kunde – allerdings freu ich mich über Demokratie 21: Vorbildlich, wenn sich die Friesen schon vor dem Bebauungsplan hart in der Sache streiten. Aber einen Hinweis trotzdem noch: Ihr macht oder lasst das mit dem Park ja wegen der Touristen, liebe Ostfriesen. Warum fragt ihr die nicht einfach, was sie schön finden und was sie vermissen – bevor die Stiefel voll laufen.

Der Autor ist Chefredakteur von Finanztest Foto: Karsten Thielker