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Archiv-Artikel

HAUSHALTSDEBATTE: UNBEDEUTEND, ABER GERADE DESWEGEN INTERESSANT Ein Parlament macht sich überflüssig

Es ist ein wenig gespenstisch: Fern in der arabischen Wüste bricht ein Krieg aus, und der deutsche Bundestag folgt seiner Tagesordnung. Gestern stand erneut der Haushalt 2003 an. Es waren nicht einmal unwichtige Themen, die da debattiert wurden: erst Wirtschaft und Arbeit, dann die Gesundheitspolitik. Aber das Interesse hielt sich in Grenzen, selbst bei den Abgeordneten. Dennoch war es eine bemerkenswerte Sitzung – gerade weil sie so bedeutungslos war. Ihr gelang es, gleich dreifach zu symbolisieren, wie unwichtig und marginal ein Parlament werden kann.

Marginal, weil die Regierung interessanter gefunden wird – fast egal, was sie so tut. Gestern war das besonders plastisch: Parallel zum Bundestag versammelte sich das deutsche „Sicherheitskabinett“. Kanzler Schröder rief seine kriegswichtigen Minister zu sich. Zwar war dies eine eher symbolische Sitzung, die nur gut 30 Minuten währte, denn Deutschland ist bekanntlich nicht im Krieg. Doch das minderte das öffentliche Interesse keinesfalls.

Aber das Parlament marginalisiert sich auch selbst. Gestern verabschiedeten die rot-grünen Fraktionen einen Haushalt, von dem sie sehr sicher annehmen können, dass er längst Makulatur ist. Denn dieser Haushalt unterstellt ein Wirtschaftswachstum von einem Prozent – obwohl kein einziger Experte den Optimismus aufbringt, diese Prognose für realistisch zu halten.

Schließlich gibt es noch den von der Union dominierten Bundesrat, der das Parlament weitgehend bedeutungslos macht. Was in Deutschland Politik wird, das entscheidet sich nicht unbedingt in Berlin, sondern an so abseitigen Orten wie Wildbad Kreuth. Dort tagt ab heute der CSU-Vorstand, und zumindest Parteichef Edmund Stoiber wird von der Angst geplagt, die Schröder-Clement-SPD könnte die Union rechts überholen. Also versucht er, seine Partei zu radikalisieren. Die SPD ist bereit, die Arbeitslosenhilfe auf das Niveau der Sozialhilfe zu drücken? Na, dann muss eben die Sozialhilfe für Erwerbsfähige um 25 Prozent sinken! Nicht nur in der Wüste werden Schlachten geschlagen, und nicht nur dort gibt es Opfer. ULRIKE HERRMANN