HAMBURGER SZENE VON REBECCA CLARE SANGER : Auf der Parkbank
„Ich habe ja 26 Wölfe“, sagt der Mann, der auf der Parkbank sitzt, und dann hat er noch ein einziges Bein und eine Batterie von Flaschen und Pappbechern auf einem Tablett neben sich stehen, und ein Sudoko-Heft und ein Taschenbuch, in das er sich bis eben noch Notizen gemacht hatte.
Natürlich wäre ich nicht ohne meinen Hund – der auf ihn aufmerksam gemacht hatte, indem er das fehlende Bein anbellte –mit ihm ins Gespräch gekommen. Er streckt sich in die Höhe, unter seiner Daunenjacke ist sein Oberkörper nackt, es gibt Kratzspuren darauf.
„Hier waren ja früher Tore, dreimal, ja was sag ich, dreißigmal so groß wie dieses hier“, woraufhin er auf das Gittertor hinter ihm zeigt, das ihn nachts aus dem Park aussperrt. „Und die haben Zoll genommen, vom Bürger, und das, das ist eine Frechheit, das geht gegen die Menschenrechte, jeder muss da hin dürfen, wo er hinwill“, sagt er und ich stelle mir vor, dass er lieber hier auf der Parkbank schlafen würde statt unterm Bismarckdenkmal.
„Und dann mussten ja alle Reichen einen Zehnten zahlen, in Rom und hier, auf St. Pauli.“ Und er erzählt mir, während sein Bart wackelt, von reichen Hanseaten, die früher auf römischen Droschken ins Millertorstadion ritten und Dukaten – „reines solides Gold!“ – unter die Massen warfen. „Das war ein Fest! Und dieser Palast hier“ – er zeigt auf das Hamburg Museum – „der gehörte mal Katharina der Großen. Das ganze Parterre – Kinderspielzimmer für ihre Kinder!“
Ich verabschiede mich. Er habe sich in mich verliebt, ruft er mir nach. Ich freue mich auf meinen Platz in seiner nächsten Erzählung. Und wundere mich über die Plakette neben dem Parktor, die von den Millerntoren, die einst hier standen, zeugt.