Guttenberg-Gattin gegen "Porno-Gesellschaft": Das Bild der Frau
Über laszive Pop-Outfits meckern und selbst in der "Bild" veröffentlichen? Für Ministergattin Stephanie zu Guttenberg kein Widerspruch.
![](https://taz.de/picture/297246/14/steffi.20100916-16.jpg)
Ein Eintrag im Duden beginnt wie folgt: "Bi/got/te/rie, -die; -n; [franz. bigoterie]: 1. kleinliche, engherzige Frömmigkeit, übertriebener Glaubenseifer." Ein Eintrag, der im Fall von Stephanie zu Guttenberg, Ehefrau von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, geborene Gräfin von Bismarck-Schönhausen und Ururenkelin von Reichskanzler Otto von Bismarck, besonders zutreffend ist.
Denn bei der Berliner Präsentation ihres Buches "Schaut nicht weg!" am Mittwochabend exerzierte Stephanie zu Guttenberg diese Definition des Substantivs in Reinform. Das Thema ist ernst, es geht um sexuellen Mißbrauch. Umso unverständlicher, dass zu Guttenberg den Vorabdruck ihres Werkes ausgerechnet einer Zeitung überlassen hat, die für ihre nackten Seite-1-Damen bekannt ist: der Bild-Zeitung. Wie das mit ihrem Kampf gegen Missbrauch zusammenpasst? "Bild hat die nackte Frau an dem Tag rausgenommen und nur online gemacht", verteidigte Stephanie zu Guttenberg, ihres Zeichens übrigens auch Präsidentin des Vereins "Innocence in Danger" ihre Entscheidung.
In anderen Kontexten stößt sich die Ministergattin dagegen an der sexuellen Verwahrlosung der Gesellschaft. Zumindest in ihrem 180 Seiten langen Buch. Auf 24 Seiten moniert sie darin die lasziven Auftritte von Sternchen wie Lady Gaga, Rihanna oder Britney Spears: "Die Mädchen und Jungen von heute wachsen also auf mit Popsängern, die einerseits den Mainstream verkörpern und andererseits so aussehen wie Pornodarsteller", schreibt Frau zu Guttenberg. Auch Madonna, Prince und Michael Jackson werden nicht verschont "mit ihren dem Rotlicht entliehenen Outfits". Dass diese halbnackten Menschen jeden Tag in der Bild zu sehen sind, ignoriert die Autorin für den guten Zweck geflissentlich.
Auf dem Cover ihres Buches präsentiert sich Stephanie zu Guttenberg selbst im hochgeschlossenen Rollkragenpulli. Zur Präsentation erscheint sie dagegen freizügig in hochhackigen Lederstiefeln und kurzem Fledderröckchen. Ein noch wilderes Outfit wählte sie zur Bambiverleihung 2009 - damals entstand ein Foto ihres unkeuschen Dekolletees, das an Angela Merkels Auftritt bei der Einweihung der neuen Oper in Oslo erinnerte. Was sie trug, als sie ihren Mann Karl-Theodor zu Guttenberg auf der Love Parade kennenlernte, ist nicht bekannt. Es ist aber wahrscheinlich, dass auch das nicht zu einer Frau gepasst hätte, die ihr Buch so wie zu Guttenberg beim konservativen Kreuz-Verlag veröffentlicht, für den auch TV-Pfarrer Jürgen Fliege schreibt.
Wasser und Wein
Auch ihr Verein "Innocence in Danger", der seit Jahren gegen Kinderpornografie kämpft, ist umstritten. Der Begriff "pädokriminell", den Präsidentin Stephanie zu Guttenberg in ihrem Buch oft verwendet, ist wissenschaftlich fraglich. Kritiker halten eine sachliche Diskussion mit diesem Wort nicht für möglich, da Pädophilie, sexueller Missbrauch von Kindern und Kinderpornografie dadurch vermischt würden. Es würde auch niemand auf den Gedanken kommen, homosexuelle Vergewaltiger "homokriminell" oder heterosexuelle "heterokriminell" zu bezeichnen - ganz gleich, um welche Straftat es sich genau handelt. Zudem wurde Geschäftsführerin Julia von Weber eine allzu große Nähe zur früheren Familienministerin Ursula von der Leyen nachgesagt. Der Verein hatte zusammen mit dem BKA ein Gesetz zur Sperrung kinderpornografischer Seiten im Internet gefordert. Der damalige Wirtschaftsminister Freiherr zu Guttenberg half dabei kräftig mit - und machte als Ehemann der Präsidentin von "Innocence in Danger" die Kungelei perfekt.
Natürlich ist es gut, gegen Kinderpornografie- und Missbrauch vorzugehen, keine Frage. Wenn dies aber in Gestalt einer Frau geschieht, die Wasser predigt und selbst Wein trinkt, hinterlässt das einen bitteren Beigeschmack. "Ich kann nicht B predigen und selbst A machen", antwortete Stephanie zu Guttenberg auf die Frage, wie ihre Rolle als Mutter zweier Mädchen sie bei ihrem Engagement beeinflusst hat. Sie gehe ihren Töchtern mit gutem Beispiel voran, passt etwa auf, was diese sich im Internet anguckten. Das ist per se löblich, aber dann sollte sie auch schleunigst die Bild-Zeitung und die eigene Abendgarderobe vor den Kinderaugen verstecken. Denn wer A sagt, muss auch B sagen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links