piwik no script img

Archiv-Artikel

Gutes Investment fürs Klima

NATUR Freiwilliger Klimaschutz durch „Moor-Futures“ soll attraktiver werden. Die wenigen deutschen Feuchtgebiete speichern doppelt so viel Kohlenstoff wie die Wälder

Moorschutz nützt der Artenvielfalt und hilft gegen Hochwasser

VON BERNHARD PÖTTER

BERLIN taz | Klimaschutz mit Gummistiefeln soll in Zukunft attraktiver werden: Wer freiwillig in die Rettung von deutschen Mooren sein Geld investiert, bekommt nun nicht nur ein gutes Gewissen aus Klimagründen garantiert, sondern auch wegen positiver Wirkungen auf Wasserqualität, Hochwasserschutz und Artenvielfalt. Mit diesen neuen Ökoanreizen wollen die Länder Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg zusammen mit dem Bund neue Käufer für ihre „Moor-Futures“ finden, mit denen die Wiedervernässung von Mooren finanziert wird.

Zur Präsentation dieser „Moor-Futures 2.0“ trafen sich die Umwelt- und Agrarminister aus Potsdam und Schwerin am Mittwoch in Berlin zum „kleinen Moorgipfel“. Die Chefin des Bundesamts für Naturschutz, Beate Jessel, lobte die Versuche, der Zerstörung der Moorlandschaften zu begegnen und neben dem Klimaschutz auch „Ökodienstleistungen“ zu belohnen: „Neue, intakte Moorlandschaften entsprechen der nationalen Strategie für biologische Vielfalt.“

Die Wiedervernässung von Mooren wurde bislang vor allem aus Klimaschutzgründen vorangetrieben. Denn die Feuchtgebiete sind riesige Speicher von Kohlenstoff. Zwar machen Sümpfe nur noch vier Prozent der deutschen Fläche aus, sie speichern aber nach Angaben des Bundesamtes ein Drittel aller Kohlenstoffreserven, doppelt soviel wie alle deutschen Wälder, die etwa ein Drittel der Fläche Deutschlands bedecken. Werden Moore trocken gelegt, gasen aus ihnen große Mengen von Kohlendioxid, Methan und Lachgas aus. 45 Millionen Tonnen in Deutschland, sagte Jessel: „Das sind etwa vier Prozent der deutschen Treibhausgase.“

Um diesen Klimakiller zu stoppen und gleichzeitig ursprüngliche Landschaften zu erhalten, hat Meckenburg-Vorpommern 2012 die „Moor-Futures“ eingeführt. Damit können Firmen oder Privatleute freiwillig für die Wiedervernässung von Feuchtgebieten bezahlen und bekommen dafür Klimaschutz-Zertifikate. Diese kosten 35 Euro pro Tonne vermiedenes CO2, sind aber nur für das gute Image gut und nicht handelbar.

Die Nachfrage ist groß, berichtete Till Backhaus, SPD-Agrarminister von Mecklenburg-Vorpommern: „Bisher haben wir 8.500 Moor-Futures verkauft, die für die Vernässung des Polder Kieve eingesetzt wurden.“. Neben den verkauften 50.000 „Waldaktien“ seien die Moor-Zertifikate ein weiterer Schritt, die Ökodienste der Natur zu realisieren: „Allein in unserem Bundesland speichern die 300.000 Hektar Moor umgerechnet eine Milliarde Tonnen Kohlendioxid.“

Weltweit sind Feuchtgebiete eine riesiges Kohlenstoffgrab, das immer mehr geöffnet wird, erklärte der Moorexperte und Erfinder der Moor-Zertifikate Hans Joosten von der Universität Greifswald. „Obwohl Moore nur 0,3 Prozent der globalen Landflächen ausmachen, tragen sie jetzt schon sechs Prozent zu den menschengemachten Treibhausgasen bei“, so Joosten. Zum Klimagipfel von Warschau im November liegen erstmals Instrumente vor, um den nassen Klimaschutz in die UN-Verhandlungen einzubringen. Die Arbeit von Umweltschützern oder dem Umweltprogramm der UNO zeigt langsam Konsequenzen.

Allerdings stößt die Idee, aus Wiesen wieder Moore zu machen, nicht überall auf Gegenliebe. Bauern und Energiewirte wehren sich gegen die „Überflutung von Lebensraum“. Auch beim „Moorgipfel“ wurde Backhaus in seiner Rede mehrfach von Zwischenrufern unterbrochen, die gegen das Programm protestierten. Ein Artikel in der „Bauernzeitung“ wurde verteilt, der „Renaturierung kontraproduktiv und wissenschaftlich unbegründet“ nannte – ohne allerdings für seine Berechnungen auf eine ähnlich anerkannte wissenschaftliche Basis zu verweisen wie Experte Joosten.

Mit den zusätzlichen Argumenten zum Ökowert der Maßnahmen nehme man „neue Käufer und höhere Preise“ ins Visier, hieß es beim „Moorgipfel“. Eine Broschüre aus Brandenburg, wo der nasse Ablasshandel nun auch beginnt, rechnet das auch vor: Für 50 bis 70 Euro für ein Zertifikat könne man „den Wochenendurlaub ausgleichen“; Wer wenig Fleisch esse, könne die jährlichen Emissionen aus seiner Ernährung mit zwei Futures kompensieren.