■ Bauen im Vaterland: Gut gebrüllt, Löwe
Zweifellos sind markige Sprüche des Bausenators keine Seltenheit. „Zum Kotzen“ findet Nagel die aktuelle Umzugsdebatte, bei der im Januar 1994 wohl die erneute Verschiebung des Problems beraten wird. Ganz so schlimm finden wir das nicht – eher langweilt uns der Nicht-Umzugs-Aktionismus und die Verlogenheit seiner Aktionäre. Daß er nun allerdings in die heimliche National-Sprechweise zurückfällt und den Wechsel von Bonn nach Berlin als „patriotische Aufgabe“ ausposaunt, hat eine neue Qualität.
Gut gebrüllt, Löwe. Doch warum die Sprechblase? Ich vermute, sie ist weniger gegen die Bonner Langweiler als vielmehr gegen den simplen Eberhard Diepgen zu Hause gemünzt, der es noch nie verstanden hat, mit List Berliner Interessen am Rhein zu verkaufen. Eher hat er sich dort vor den parteiinternen Karren und das Kalkül seiner Freunde im bevorstehenden Bundestagswahlkampf spannen lassen. Das hat Nagel — mit acht neuen Bebauungsplänen für Parlament und Regierung im Sack — wohl zu den Kraftausdrücken greifen lassen, an denen es Sozialdemokraten sonst mangelte. Galten sie doch immer als die „Vaterlandsverräter“. Andererseits wissen wir, daß man zuerst vor der eigenen Haustüre kehren sollte. Eine „patriotische Aufgabe“ ist der Umzug mitnichten, sondern ein teures, mit vielen Häßlichkeiten angereichertes Unterfangen. Die „Gedenkzentrale“ Neue Wache war ein erstes Beispiel. Versuche der Strategie „Hauptstadtzentrale“ werden folgen. So gesehen bedeutet das Einschwören auf patriotische Taten auch nicht mehr als den Aufruf, eigene Interessen hinter den Bonner Feudalmanieren anzustellen. Rolf Lautenschläger
Siehe Bericht Seite 18
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