: Gut durchblutet
■ Das Bassisten-Ungeheuer Niels-Hennig rrsted Pedersen mit Mulgrew Miller
Seinen 100. Geburtstag hätte Edward Kennedy Ellington im vergangenen April feiern können – wenn er nicht schon vor einem Vierteljahrhundert abgetreten wäre. Aber natürlich ist der „Duke“ immer noch da: Vieles im heutigen Jazz ist von Ellingtons Erfindungen geprägt. Zu den Preziosen aus seinem kompositorischen Vermächtnis zählen die Klavier/Kontrabass-Duette, die er vor 60 Jahren mit einem gewissen Jimmy Blanton ausgeheckt hat. Nun haben Mulgrew Miller und Niels-Henning rrsted Pedersen sich dieser selten gespielten Stücke angenommen und gas-tieren damit gleich an zwei Abenden im Birdland.
Unbestrittene Meister ihres Fachs sind sie alle beide – aber in ein und demselben Duo hätte man den forschen Langfinger Miller und das altgediente Bassistenungeheuer rrsted Pedersen nicht unbedingt vermutet. Pedersen war der erste Jazzmusiker, für den ich (trotz seines komplizierten Namens) zu schwärmen begann: Der spielte ja jeden beliebigen Gitarristen an die Wand! Und noch heute beten Baß-Eleven darum, wenigs-tens einmal fünf Minuten lang so gut durchblutet spielen zu können wie der große Däne.
Niels-Henning war 14, als er profimäßig einstieg, es schnell zum Hausbassisten im Kopenhagener Jazzclub Montmartre brachte und dort und auf unendlich vielen Steeple Chase-Platten die durchreisenden Großmeister begleitete. Es dauerte nicht lange, da war er selbst einer geworden: Wer sonst hätte im Duo neben einem Oscar Peterson, einem Joe Pass oder dem späten Kenny Drew bestehen können?
Bei den Blanton-Duetten heißt sein Partner nun also Mulgrew Miller. Und das ist, ohne Übertreibung, einer der zur Zeit komplettesten Pianisten: durchlief als Youngster die hohe Schule des Ellington-Orchesters (von Dukes Sohn Mercer geleitet), war nach ein paar Jahren bei Art Blakeys Jazz Messengers ein gemachter Mann und kann als solcher in der Szene längst schalten und walten, wie er will. Auf verdächtig vielen meiner absoluten Lieblingsscheiben von Hinz und Kunz und Gary Bartz ist er der Pianist.
Andererseits ist meine Plattensammlung erschreckend Ellington-schwach. Und bis 1939, als der 18-jährige Blanton beim „Duke“ aufkreuzte, reicht sie schon gar nicht zurück. Dabei war es dieser Wunderknabe, der als erster derart leichtfüßige Melodien aus dem Kontrabaß zauberte und das sperrige Möbelstück, was den Rhythmus angeht, buchstäblich zum Laufen brachte. Drei Jahre später erlag Jimmy Blanton einer verschleppten Tuberkulose – aber seine bahnbrechenden Töne sind seitdem in der Welt.
Andreas Schäfler
Di, 12. und Mi, 13. Oktober, 21 Uhr, Birdland, Gärtnerstraße 122
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