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Archiv-Artikel

Gut bestuhlt

ELEKTRONIK Mouse on Mars führen in Köln Orchestermusik auf

Hoher Besuch in Köln, die Mäuse sind da. Zum 25. Jubiläum hat die Philharmonie die Ex-Rheinländer Mouse on Mars mit der Komposition eines Orchesterwerks beauftragt. Eine schöne Geste in einer Stadt, die ihre eigene Rolle in der elektronischen Nachkriegsmoderne liebevoll vermittelt. Die Idee ist nicht neu.

Egal ob die Londoner Symphoniker Aphex Twin covern oder Carl Craig alte Aufnahmen des Bolero remixt, elektronische Musik und Sinfonieorchester hatten in der jüngeren Vergangenheit einige Berührungspunkte. Bei „Paeanumnion“, dem gemeinsamen Orchesterwerk von Mouse on Mars und musikFabrik, steht allerdings weniger die Neuanordnung bereits existenten Klangmaterials als vielmehr der Prozess gemeinsamer Komposition im Mittelpunkt. Die beiden Mäuse haben sich mit Musikern und Dirigent André de Ridder im Probesaal eingeschlossen, an Partitur und Klangfarbe gefeilt und den Instrumenten die „Presets“ abgewöhnt, wie es Jan St. Werner ausgedrückt hat.

Von den vielen Traditionen der musikalischen Moderne steht man eher den klangmalerischen Versuchen von Debussy als der kompositorischen Strenge der Wiener Schule nahe, selbstverständlich mit allen verfügbaren technologischen Mitteln. Bei der Aufführung verlief die Aneignung jedoch in eine andere Richtung. Die Instrumentalisten übernahmen die Rolle der Elektronik. Gleich im ersten Teil ertönt der berühmteste aller digitalen Soundeffekte: der „Bouncing Ball“. Das ist ein Delay, bei dem die zeitlichen Abstände zwischen den Tönen wie bei einem Flummi, der auf den Boden fällt, immer kürzer werden. Ein leichter Anflug von Nostalgie macht sich breit, man blickt ins Orchester und sieht einen Posaunisten, der mit dem letzten Ton des Effekts sein Instrument vom Mund nimmt.

Das ist nur die erste einer Reihe von Verwirrungen: Drones kommen von den Streichern, Loops von der Querflöte – die Elektronik zieht sich auf die digitale Manipulation im Hintergrund zurück. Ein wenig schade, denn die vertikale Komplexität aus Komposition und kleinteiliger Klangforschung, die Mouse on Mars auf ihren Alben stets auf Neue aufführen, ist in „Paeanumnion“ vielleicht ein wenig zu sehr der Pastiche gewichen. Immer wieder tauchen Motive aus der Minimal Music auf, selbst das frei improvisierte Slappen des Kontrabasses, das ständig in allen FreeJazz-Kellern der Welt aufgeführt wird, fehlt nicht.

Dabei verliert sich das Stück in humorvoller Dekonstruktion und vergisst darüber, dass man auch ein bestuhltes Haus einfach mal rocken könnte.

CHRISTIAN WERTHSCHULTE