■ Das Portrait: Guntis Ulmanis
Lettlands neuer Präsident hat ein Handikap, das für ihn gar keines ist. Offensichtlich auch nicht für die Mehrheit des neuen Parlaments, das ihn mit 53 Stimmen bei 26 Gegenstimmen gewählt hat. Er ist Großneffe des ehemaligen Präsidenten Karlis Ulmanis und sieht sich auch ausdrücklich in dessen Tradition. Guntis Ulmanis ist die Führungsfigur im „Bauernbund“, und der versteht sich als Wiederbelebung der Partei gleichen Namens aus der Zwischenkriegszeit. Damals fühlte sich Großonkel Karlis Ulmanis ausdrücklich dem Duce Mussolini verpflichtet und überzog Lettland von 1934 bis 1940 mit einer Diktatur. Per Staatsstreich und Verhängung des Kriegszustands schaltete er 1934 das Parlament aus und suspendierte die Verfassung von 1922.
Diese Verfassung aus dem Jahr 1922 wurde jetzt von der neugewählten „Saeima“ – dem Parlament – wieder zur Grundlage des „neuen“ Lettland gemacht. Auf das schwierige Erbe angesprochen, sagt der neue Präsident, Spannungen mit Moskau, die Minderheitenprobleme und die Demokratie- und Weltwirtschaftskrise hätten seinem Großonkel keine anderen Möglichkeiten gelassen: „Ich werde mich bemühen, das Gute von Karlis Ulmanis zu übernehmen. Was er dem Volk durch seine Arbeit gab, seinen Patriotismus und seine Liebe zur Heimat.“
Daß führende Mitglieder des „Bauernbunds“ nicht nur Ulmanis' Diktatur, sondern auch die lettische SS-Legion im Zweiten Weltkrieg verherrlichen, ließ Simon Wiesenthal kürzlich formulieren: „Ich muß ganz einfach gestehen, daß ich Angst vor einem offenen Ausbruch von Faschismus und Rassismus im Baltikum habe.“
Lettlands neuer Präsident schätzt Patriotismus und Heimatliebe Foto: Reuter
Der 53jährige Guntis Ulmanis war Chefökonom bei der Lettischen Nationalbank. Als 25jähriger trat er in die KP ein, die er 1989 in der Wendezeit verließ. Politische Aktivitäten entfaltete er nur im Stadtrat der Hauptstadt Riga. Nach Aussagen seiner Frau Aina wurde Ulmanis mehr von seiner Partei, dem „Bauerbund“, gedrängt, als daß es ihn selbst ins neue Amt zog. Bei den Wahlen gewann der „Bauernbund“ 12 der 100 Parlamentssitze und ist damit nur viertstärkste Partei. Erster Test von Ulmanis' politischen Fähigkeiten dürfte der Umgang mit der russischen Minderheit in Lettland werden. RW
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