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Günter Wallraff"Es ist ein Lackmustest"

Günter Wallraff möchte in einer Moschee über Rushdies "Satanische Verse" diskutieren. Im taz-Interview erklärt er, warum: Die meisten Muslime hätten das Buch gar nicht gelesen.

Der Journalist Günter Wallraff ist mit Salman Rushdie befreundet. Bild: dpa

taz: Herr Wallraff, Sie haben vorgeschlagen in einer Kölner Moschee aus Salman Rushdies Buch "Die satanischen Verse« zu lesen. Soll das eine Provokation für die Muslime in Deutschland sein?

Wallraff: Nein überhaupt nicht. Ich wünsche mir nur, dass Rushdies Buch endlich mal da diskutiert wird, wo es hingehört. Die meisten Muslime haben das Buch ja noch nie gelesen.

Wie sind sie auf die Idee gekommen?

Wallraff: Der Hintergrund ist die Debatte um den Neubau einer Moschee hier in Köln Ehrenfeld, dem Stadtteil, wo ich seit den 60er Jahre lebe. Im Gegensatz zu anderen bin ich nicht gegen den Bau der Moschee - zumal ja an der gleichen Stelle schon lange eine recht schäbige Moschee existiert, über die sich bis vor kurzem kein Mensch aufgeregt hat. Meiner Meinung nach haben sie das Recht dort zu bauen, zumal die Gemeinde in der Frage der Minaretthöhe und des Rufs des Muezzins ja durchaus Entgegen kommen gezeigt hat. Vor einer gemeinsamen Diskussion im Deutschlandfunk über den Kölner Moscheebau hat Bekir Alboa, der Kulturbeauftragte von DITIP - das ist der Trägerverein der Moschee - bei mir angefragt, ob ich mir vorstellen könnte, Mitglied im Beirat des Moscheevereins zu werden. Ich bin da nicht grundsätzlich abgeneigt, aber wenn, will ich da nicht nur als Galionsfigur und Abnicker sitzen, sondern dann auch um etwas im Dialog mit dem Islam zu bewegen.

Sind die "Satanischen Verse« da nicht ein zu großer Tabubruch?

Wallraff: Als ich den Vorschlag gemacht habe, habe ich gedacht, man muss die DITIP beim Wort nehmen, wenn sie sagen, sie wollen in ihrer Moschee auch offene Kulturarbeit machen. Ich betrachte das nicht als Provokation sondern es entspricht meinem Lebensmotto, "Sei Realist und fordere das Unmögliche«. Es ist für mich ein Lackmustest wie ernst sie das Angebot nehmen. Eine Diskussion über die "Satanischen Verse« verstehe ich nicht als Spektakel - das würde ja auch auf andere Moscheegemeinschaften ausstrahlen. Ich bin mit Salman Rushdie seit langem befreundet und habe ihn bei mir aufgenommen als er vom Iran bedroht wurde. Ich erkenne das Bemühen der Muslime in Deutschland an, sich in die Gemeinschaft einzubringen und ich finde man sollte sie ernst nehmen.

Wie sind denn nun die Reaktionen auf ihren Vorschlag? Wird es bei der Idee bleiben oder sehen sie Chancen, dass daraus wirklich etwas wird?

Wallraff: Also Herr Alboa hat sich schon bei mir gemeldet und gesagt, er findet dass man ernsthaft über meinen Vorschlag reden sollte. Entscheiden wird darüber nun der Vorstand von Ditip und der Kölner Moscheeverein. Morgen werden mich einige Vertreter der Moscheegemeinde besuchen und ich werde dann erläutern, was ich mir von einer solchen Veranstaltung erhoffe.

Gibt es denn schon eine Vorstellung, in welcher Form das Ganze vor sich gehen könnte?

Wallraff: Ja, wenn dann wird das natürlich eine Diskussionsveranstaltung und nicht eine klassische Lesung. Für mich wäre aber wichtig, dass die kritisierten Stellen aus Rushdies Buch wirklich die zentrale Rolle spielen und die Passagen auch ins türkische übersetzt werden. Dann kann es richtig zur Sache gehen. Es wäre ein wichtiges Signal gegenüber den wirklichen islamischen Fundamentalisten, die sich ja immer im Besitz der allein selig machenden Wahrheit wähnen und es wie alle Fanatiker im Sinne ihrer Absolutheitslehre Todernst meinen und keine Ironie verstehen.

INTERVIEW: JÜRGEN GOTTSCHLICH

Von Jürgen Gottschlich erscheint Ende August im Verlag Kiepenheuer & Witsch eine Biografie Günter Wallraffs "Der Mann, der Günter Wallraff ist«.

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11 Kommentare

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  • SD
    someones daughter

    Wie gut, Herr Schwanz, dass es noch so aufrechte Kämpfer wie Sie gibt, die sich im taz-Forum heldenhaft "faschistischen Glaubenskriegern" entgegenstellen.

    Weiter so, Sie Held!

     

    Herr Schneider, waren Sie auch so aufrecht um Meinugsfreiheit bemüht, als christliche Fanatiker Kinos abfackelten, in denen Scorseses 'Letze Versuchung Christi' lief oder als der Modemacher Otto Kern von Christen Morddrohungen erhielt, weil er für seine Jeans mit einer Abwandlung von da Vincis 'Letzes Abendmahl' warb?

     

    Oder gucken Sie da lieber nicht so genau hin? Weil, "sowas" passiert ja nur bei 'denen', gelle?

     

    @Nachtaktiv: Mit umgekehrten Vorzeichen hiesse türkische Schützenvereine. Kennen Sie einen solchen? Alleine bei dem Gedanken an marschierende bewaffnete Türken brennen doch bei den 'aufrechten Kämpfern' des taz-Forums die Sicherungen durch. Bei Ihnen auch?

  • L
    läufer

    @nachtaktiv

     

    Seit wann sind Schützenfeste eine katholische Veranstaltung? Welches türkische Fest schlagen Sie vor??

  • N
    Nachtaktiv

    @someones daughter: Stichwort katholische Toleranz und Offenheit - der diesjaehrige Schuetzenkoenig in Paderborn ist tuerkischer Herkunft und Muslim... Bitte mit umgekehrtem Vorzeichen nachmachen.

  • PS
    Peter Schneider

    @someones daughter

     

    Wenn Walter Moers als Reaktion auf sein Comic Morddrohungen von fundamentalistischen Christen bekommen hätte, wäre das eine durchaus sinnvolle Sache, ja. Aber sowas passiert zur Zeit nur mit Menschen, die den Islam kritisieren - DAS ist der Grund dafür, die Toleranz der muslimischen Gemeinde auf die Probe zu stellen und nicht die der katholischen Kirche.

  • N
    Nachtaktiv

    @someones daughter

     

    Wenn Sie Walter Moers im Koelner Dom laut lesen sollten, dann kann und wird man Ihnen einige Fragen stellen (geschmacklos, niveaulos, wozu das Ganze, etc.), aber Sie werden nicht mit Morddrohungen rechnen muessen - Walter M. hat auch keine aus katholischen Kreisen erhalten. Wenn Sie es nicht glauben, dann probieren Sie es doch einfach aus - dann aber bitte auch andersherum mal die SV in einer Moschee antesten.

     

    Den Lackmus-Test braucht eigentlich kein Mensch mehr, die Interpretation der Nicht-Teilnahme am Integrationsgipfel liefert bereits ausreichende Erklaerungen. Trotzdem eine gute Idee, weil Sie einfach Antworten erfordert und die Opferrolle als Notausgang nicht wirklich taugt.

     

    Schoenes Integrations-Appeasement. Wie blind kann man sein?

  • HS
    H. Schwanz

    Dröge also. Naja, eine/r muss ja dagegen sein. Hier lässt sich's auch viel leichter rebellisch sein, als sich gegen faschistische Glaubenskrieger zu stellen. Weiter so.

  • J
    Jbeckmato

    Günther Wallraff hat sich schon immer in die Höhle des Löwen begeben. Ob er die Bildzeitung unterwanderte oder als ALI in der Industrireinigung schuftete. Ich habe grossen respekt vor diesem mutigen Mann. Aber Mut kann in dem Fall der Diskussion der satanischen Verse in einer Moschee schnell in Tollkühnheit umschlagen. Ich würde mich in Köln nicht mehr sicher fühlen, da es nur eines einzigen "Dschihadisten" bedarf, der sich durch die Aktion motiviert fühlen würde endlich seine Rolle als Märtyrer auszufüllen um Wallraff das Lebenslichtlein auszuhauchen. Weniger Provokation von diesen Herrschften täte hier Not.

    Viel Glück Herr Wallraff aber denken Sie an sich und Ihre Familie.

  • SS
    Salil SARKAR

    "Die satanische Verse" sind von meisten Muslime nicht gelesen worden?

     

    Von meisten anderen auch nicht!!

  • SD
    someones daughter

    Ist es eigentlich wahr, dass Walraff im Kölner Dom aus "Maria, es ist ein Arschloch" von Walter Moers lesen will, um den Lackmus-Test für katholische Toleranz und Offenheit zu machen? Soll auch noch eine Synagoge ins Programm und ein hybscher Text, den Juden als antisemitisch ansehen? Da könnte es auch "zur Sache gehen" ...

     

    Was für eine durchsichtige und dröge PR-Nummer von Walraff, er macht den Biermann.

  • PS
    Peter Schneider

    Wenn das klappt mit der Lesung, muss ich sagen: Respekt. Das wäre mal ein lang erwartetes Zeichen der Muslime in Deutschland, dass die Mehrheit eben nicht -offen oder still und heimlich- mit der Fatwa gegen Rushdie sympathisiert.

  • DB
    Dirk Bentlin

    Endlich mal wieder etwas durchaus Vernünftiges - und zudem eine Möglichkeit für den Islam, uns "Ungläubigen" seine real praktizierte Toleranz gegenüber Andersdenkenden zu zeigen. BRAVO !