piwik no script img

Guadeloupe und MartiniqueStreik gegen teures Leben

Auf den französischen Antilleninseln vor Lateinamerikas Küste streiken die Menschen gegen hohe Lebenshaltungskosten. In Paris reagiert die Regierung mit widersprüchlichen Signalen.

Schweigt zum Konflikt und schickt mehr Truppen: Frankreichs Präsident Sarkozy. Bild: reuters

"Liyannaj kont profitasyon" - gemeinsam gegen Ausbeutung - ist der kreolische Name des Kollektivs, das seit dem 20. Januar die Insel Guadeloupe lahmlegt. Seit einer Woche hat der Generalstreik auch eine zweite französische Antilleninsel erfasst. Auf Martinique protestiert ein großer Teil der Bevölkerung jetzt ebenfalls gegen das "teure Leben", verlangt niedrigere Preise für Grundnahrungsmittel, Transporte, Mieten und Dienstleistungen und fordert eine Erhöhung von 200 Euro für die Niedriglöhne. Der französische Staatssekretär für Überseefragen, Yves Jego, hat lange gar nichts getan. Dann machte er nach einem ersten Verhandlungsmarathon Anfang Februar auf Guadeloupe Zugeständnisse in 131 Forderungen. Dann pfiff ihn sein Premierminister zurück. François Fillon will zwar die Ausweitung des Konfliktes auf andere Teile Frankreichs verhindern. Aber er betrachtet das Problem als exklusive Angelegenheit der "Sozialpartner" auf den Antillen. Niedrigere Sozialabgaben für die Patrons auf den Antillen lehnt er ab. Stattdessen schickt er weitere Polizeikräfte auf die Inseln vor der Küste Lateinamerikas.

Die widersprüchlichen Signale aus Paris verstärken die Streikfront auf den Inseln. "Wir werden nicht aufgeben", erklärte der guadeloupeanische Gewerkschafter Jocelyn Lapitre in dieser Woche auf einer Pressekonferenz in Paris. Die Bewegung wird von einer Mehrheit der 450.000 BewohnerInnen von Guadeloupe unterstützt. Tankstellen, Schulen und Geschäfte sind geschlossen. Der Müll bleibt liegen. Selbst Fußballspiele fallen aus. Und für den Tourismus in den bevorstehenden französischen Winterferien - normalerweise Hochsaison in den Antillen - sieht es derzeit recht düster aus. Dennoch sind an einem einzigen Tag 65.000 Menschen zu einer Großdemonstration in der Inselhauptstadt Pointe-à-Pitre gekommen. Als Vergleich sagt der Sprecher des Streikkollektivs LKP und zugleich Generalsekretär der Mehrheitsgewerkschaft UGTG auf Guadeloupe, Eli Domota: "In Paris wären das 10 Millionen Demonstranten."

48 Organisationen sind in dem Streikkollektiv LKP zusammengeschlossen. Alle beklagen die hohen Lebenshaltungskosten, die weit über dem Niveau der 8.000 Kilometer weit entfernten Metropole liegen. Und die vor allem für die 45.000 Niedriglohnempfänger auf Guadeloupe immer unerschwinglicher werden. Die Mitglieder der LKP beklagen auch die Missachtung aus der Metropole. Auf Guadeloupe ist unangenehm aufgefallen, dass der Staatssekretär nur Interviews an Pariser Medien gegeben hat. Und - vor allem - dass Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy bei seiner eineinhalbstündigen Fernsehsendung in der letzten Woche nicht ein einziges Wort zu der Situation auf Guadeloupe gesagt hat. Der Generalstreik währte zu dem Zeitpunkt bereits zwei Wochen.

Die oppositionelle PS schickt an diesem Wochenende einen Berater von Parteichefin Martine Aubry auf die Insel. Die Ex-Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royal hat ihre Unterstützung für die Bewegung erklärt. Der grüne Abgeordnete Noël Mamère nennt die Lage "explosiv".

Und die auf den Antillen gewählte linke Abgeordnete Christiane Taubira, eine der wenigen Nicht-Weißen im französischen Parlament, sagt, dass auf den Antillen zweifelsfrei ein "sozialer Konflikt" stattfindet. Und erinnert zugleich daran, dass im Hintergrund ungelöste postkoloniale Fragen mitschwingen: "Unglücklicherweise zeugen die Trennungslinien auf Guadeloupe und Martinique und die Existenz der Dynastien von Grundbesitzern davon, dass die Gesellschaft tief gespalten ist."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!