Grundschule: Der Wille der Lehrer zählt
Der Bildungssenator entbindet die Schulen von der Pflicht, ab Herbst Klasse eins und zwei zusammen zu unterrichten. Ob sie das gemeinsame Lernen doch einführen, hängt vom Einsatz der Lehrer ab.
Ilona Hedenus ist Überzeugungslehrerin. Sie unterrichtet an der Gottfried-Röhl-Grundschule im Wedding die Klasse 3 und 4, und zwar zusammen. "In einer gemischten Gruppe kann ich dem einzelnen Kind besser gerecht werden, seine Stärken und Schwächen besser einschätzen", lobt Hedenus die Vorteile des sogenannten jahrgangsübergreifenden Lernens. Vor sechs Jahren begann die Grundschule damit, jüngere und ältere Schüler in gemeinsamen Klassen zu unterrichten. Gefragt, welche Voraussetzungen dafür nötig waren, muss Hedenus nicht lange überlegen: "Willige Kollegen." Obwohl sie von dem Modell überzeugt ist, begrüsst sie es daher, dass keine Schule gezwungen ist, dass jahrgangsübergreifende Lernen zum 1. September einzuführen.
So steht es eigentlich im Schulgesetz. Vor vier Jahren beschloss das Abgeordnetenhaus den Schulanfang grundlegend zu reformieren, um generell alle speziell aber benachteiligte Kinder besser und früher zu fördern und in eine erfolgversprechende Schulkarriere zu schicken· Das Einschulungsalter wurde auf fünfeinhalb gedrückt, erste, zweite und dritte Klasse zu einer flexiblen Schuleingangsphase zusammengefasst und als Clou die Fusion der Klassen eins und zwei zu jahrgangsgemischten Gruppen angeordnet. Nachdem das Herzstück der Reform bereits einmal verschoben wurde, wackelt es nun erneut. Bildungssenator Jürgen Zöllner, der die Schulreform seit gut einem Jahr vollziehen soll, hat am Mittwoch verkündet, die bis dato gültig Deadline 1. September 2008 aufzuheben, gleichzeitig aber an der allgemeinen Pflicht festzuhalten. Mit den Schulen, die sich weigern, will der Zöllner Einzelgespräche führen, wann und wie sie das jahrgangsübergreifende Lernen einführen. Damit hat Zöllner eine massenhaften Beugung des Schulgesetzes vermieden. Denn gut die Hälfte aller 400 Grundschulen praktiziert das jahrgangsübergreifende Lernen nicht und hatte angekündigt es auch zu diesem Schuljahr nicht einzuführen. Als Gründe nannten die Schulen vor allem räumliche und personelle Probleme.
Peter Heyer vom Grundschulverband hält die Bedenken für vorgeschoben. Seiner Ansicht nach richtet sich der Widerstand nicht so sehr gegen die Jahrgangsmischung sondern generell gegen gemischte Lerngruppen. "Viele Lehrer haben Probleme mit heterogenen Lerngruppe und glauben in Klassen eines Alterjahrgangs könnten sie sich daran vorbeimogeln."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!