Grundsätzliche Einigung bei Opel-Übernahme: GM ist für Magna
Die Verhandlungsweise von GM und dem US-Finanzministerium verärgert Bieter wie Bundesregierung. Trotzdem sieht es inzwischen nach einer Einigung aus: Wahrscheinlich bekomm Magna den Zuschlag.
BERLIN/BRÜSSEL ap/dpa/rtr/afp | Im Kampf ums Überleben des taumelnden Autobauers Opel ist der österreich-kanadische Zulieferer Magna auf die aussichtsreichste Position für eine mögliche Übernahme vorgerückt. Unmittelbar vor dem zweiten Krisengipfel im Kanzleramt einigte sich Magna am Freitag grundsätzlich mit dem US-Mutterkonzern General Motors (GM). Am Morgen hatte der zweite Interessent, der italienische Fiat-Konzern, seine Teilnahme an dem Spitzengespräch abgesagt. Am Abend beriet die Bundesregierung mit den Ministerpräsidenten der vier Opel-Standorte die neue Ausgangslage.
Wie die Nachrichtenagentur AP aus Verhandlungskreisen erfuhr, einigten sich General Motors und Magna grundsätzlich auf einen Rahmenvertrag für die Übernahme der Mehrheit an Opel. Die Bundesregierung soll bei der angestrebten Lösung eine Zwischenfinanzierung von 1,5 Milliarden Euro verbürgen, die nach Abschluss des Deals zurückzuzahlen wäre.
Das von General Motors und Magna ausgearbeitete Konzept zur Übernahme Opels durch Magna wird jetzt erst einmal auf der "Fachebene" geprüft, bevor sich die Politiker von Bund und Ländern damit befassen. Wie am Freitagabend aus Regierungskreisen zu erfahren war, war die Prüfung auf der Fachebene gegen 19.00 Uhr im Gange. "Die politischen Spitzen beraten danach, wenn diese Prüfung abgeschlossen sein wird", hieß es weiter. Zuvor hatte Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg erklärt: "Es gibt neue Vorstellungen von Magna. Die werden derzeit mit GM noch verhandelt und gleichzeitig auch von uns überprüft." Bei den Verhandlungen zwischen Magna und dem US-Mutterkonzern GM ging es auch um ein kurzfristig zu stopfendes 300-Millionen-Loch bei Opel.
Fiat-Chef Sergio Marchionne erklärte, sein Unternehmen sei nicht bereit, 300 Millionen Euro bereitzustellen, wenn die Bundesregierung die Bedingungen für die Opel-Zwischenfianzierung festlege. Sein Unternehmen werden diese "unnötigen und unvertretbaren Risiken" nicht eingehen. Trotzdem sei Fiat weiter an einer Opel-Übernahme interessiert.
Merkel schließt Insolvenz nicht aus
Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier sagte: "Wir brauchen ein belastbares, tragfähiges Ergebnis für die Zukunft." Der SPD-Kanzlerkandidat fügte hinzu: "Ich bin und bleibe zuversichtlich, dass eine Lösung gefunden werden kann, wenn alle sich dieser Verantwortung bewusst sind."
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel machte vor dem Gipfel noch einmal Druck auf die Verhandlungen, indem sie im Spiegel eine Insolvenz von Opel nicht ausschloss. Die Bundesregierung setze "alles daran, eine andere Lösung zu finden. Allerdings kommt eine direkte Beteiligung des Staates für mich nicht in Betracht."
Merkel kritisierte außerdem die Haltung der US-Regierung in den Opel-Verhandlungen. Eine noch intensivere Zusammenarbeit sei notwendig, um zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen. "Hier gibt es sicherlich noch Steigerungsmöglichkeiten auf amerikanischer Seite."
Das Nachrichtenmagazin berichtete überdies unter Berufung auf Berechnungen des Bundeswirtschaftsministeriums, auf den Staat kämen im Falle einer Opel-Pleite Kosten von rund 1,1 Milliarden Euro zu. Müsste der Staat aber für die Kredite möglicher Opel-Retter einspringen, fielen beispielsweise bei dem interessierten Magna-Konzern 4,5 Milliarden Euro an.
"Keine Rettung um jeden Preis"
Bereits auf dem ersten Krisengipfel hatte sich Magna bereiterklärt, den von GM kurzfristig zusätzlich geforderten 300-Millionen-Kredit aufzubringen. Erwartet wurde jetzt vor allem eine Entscheidung über die Zwischenfinanzierung für Opel, um den deutschen Autobauer aus der stündlich erwarteten Insolvenz seines Mutterkonzerns herauszuhalten.
Die Bundesregierung will den angeschlagenen deutschen Autobauer Opel aber nicht um jeden Preis retten. "Das ist dem Steuerzahler nicht zu vermitteln", sagte Regierungssprecher Thomas Steg. Zwar hat sich die Bundesregierung bereiterklärt, die Zwischenlösung abzusichern. "Aber die Höhe des Brückengelds liegt fest und kann nicht verhandelt werden", betonte Steg. "Das sind 1,5 Milliarden Euro."
Auch die europäische Nachbarländer haben die Führungsrolle der Bundesregierung bei der Rettung des Autobauers Opel jetzt akzeptiert. Es handle sich um ein "europäisches Problem", hieß es in einer gemeinsamen Erklärung der Teilnehmer eines Sondertreffens zur Krise um den Opel-Mutterkonzern General Motors (GM) am Freitag in Brüssel. Im Anfangsstadium der Rettung der europäischen GM-Töchter habe Deutschland indes eine "führende Rolle".
Wirtschafts-Staatssekretär Peter Hintze (CDU), der Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) vertrat, die Bundesregierung setze sich bei Opel für eine europäische Lösung ein. "Wir haben die Initiative ergriffen, um zu einer solchen Lösung zu kommen, weil wir in Deutschland sehr stark betroffen sind. Aber das was wir jetzt tun, dient ganz Europa."
Vor dem Treffen hatten sich vor allem Schweden und Belgien besorgt gezeigt, die Rettungsbemühungen Deutschlands und Großbritanniens könnten zu Lasten schwedischer und belgischer Standorte gehen. Die GM-Insolvenz droht die europäischen Töchter Opel, Saab (Schweden) und Vauxhall (Großbritannien) mit in den Abgrund zu reißen.
Die schwedische Industrieministerin Maud Olofsson kritisierte, sie sei nicht über die laufenden Gespräche der Bundesregierung mit möglichen Investoren sowie der US-Regierung informiert worden. Auch nach dem Krisentreffen seien ihre Bedenken "nicht verschwunden". Alle Mitgliedstaaten hätten klargestellt, "dass sich jeder an die Regeln halten muss".
Die Wirtschaftsministerin der belgischen Region Flandern, Patricia Ceysens, wandte sich gegen jeglichen nationalen Ansatz bei der geplanten Opel-Rettung. Das Problem der Überkapazitäten bei GM-Europa dürfe nicht auf einer "nationalistischen Basis" gelöst werden, sagte sie. Opel hat ein Werk in Antwerpen. Hintze erwiderte, der Überbrückungskredit, der derzeit verhandelt werde, solle unabhängig vom Standort vergeben werden, komme damit also Europa zu Gute. Berlin handele in "voller Übereinstimmung mit europäischem Recht".
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