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Grundeinkommen in AfrikaMenschenwürde und Fernsehen

Grundeinkommen? Ein Dorf in Namibia macht's vor: Neun Euro im Monat brachten seinen Bewohnern Würde, Arbeit, regelmäßige Mahlzeiten und 30 Fernseher.

Zwei Jahre lang bekamen die Einwohner von Otjivero 9 Euro monatlich. Bild: m. schwikowski

OTJIVERO taz | Der barfüßige Junge im roten Hemd und mit kurzen Hosen schiebt sein Drahtauto an einem langen Stock durch den staubigen gelben Sand. Seine Freunde winken und laufen davon. Der gemütliche Dorfplatz unter dem mächtigen Kameldornbaum aber bleibt leer. "Die Kinder rannten sonst hin und bettelten, bis sich die Besucher beschämt der Armut erbarmten", sagt Ortsvorsteher Joseph Ganeb. Er macht eine abwehrende Handbewegung. Sie bedeutet: Die Zeiten haben sich verändert. "Aus einem halben Leben ist ein Ganzes geworden", sagt der freundliche Alte auf Deutsch, die Sprache seiner ehemaligen Kolonialherren. "BIG bedeutet Leben."

Das kleine Dorf Otjivero liegt in der Gemeinde Omitara. Joseph Ganeb zupft sein Handy am Hosenbund zurecht. "Vor vierzig Jahren bin ich in Goabis geboren, ich kenne die Gegend gut." Und jeder kennt ihn, den großen, Mann mit der Kappe, der jetzt in Otjivero die Fäden in der Hand hält. Die kleine Gemeinde liegt 100 Kilometer östlich der namibischen Hauptstadt Windhoek in einem trockenen Landstrich, weit und breit gibt es lediglich verstreute Farmgehöfte. Otjivero ist eine Ansammlung von Blechhütten, die verarmte Landbevölkerung hat es hierher verschlagen. Das Leben ist billig auf dem staatlichen Land. Und zieht immer mehr Arme an.

Jeder kennt in Ojtivero die drei großen Buchstaben BIG, Basic Income Grant, das Grundeinkommen, das vor zwei Jahren in Otjivero allen Dorfbewohnern unter 60 Jahren, auch Kindern, unverhofften Segen von 100 Namibia-Dollar (rund 9 Euro) pro Monat brachte. BIG kann nach Meinung seiner Anhänger nicht nur die bittere Armut lindern, sondern auch genug Motivation und Würde geben, um das Leben in die Hand zu nehmen.

Das ist Glaube der evangelisch-lutherischen Kirche in Namibia, die das Pilotprojekt im Namen der BIG-Koalitionspartner zur landesweiten Einführung des Grundeinkommens leitet. Der Kirchenrat, die namibische Gewerkschaft, das unabhängige Organisationsforum und das Aids-Service-Netzwerk arbeiten mit. Auf deutscher Seite trägt überwiegend die Evangelische Kirche des Rheinlandes die Kosten, auch die Friedrich-Ebert-Stiftung und Brot für die Welt engagieren sich.

Nach zwei Jahren Probe für BIG ist das Projekt im Dezember 2009 offiziell ausgelaufen. Geld gibt es trotzdem noch: "Wir wollten die Menschen dort nicht hängen lassen", sagt Uhuru Dempers, Mitarbeiter im BIG-Sekretariat in der Hauptstadt Windhoek. Die BIG-Koalition zahlt den Dörflern noch 80 Dollar. "Otjivero kann einige Zeit gefördert werden, aber ein Grundeinkommen in ganz Namibia zu zahlen, das ist die große Herausforderung." Denn die jüngsten Arbeitslosenzahlen schocken die Nation: Sie liegen bei 51 Prozent, ein Anstieg von beinahe zwanzig Prozent gegenüber den Vorjahren.

Frieda verkauft 400 Brote am Tag - es bleiben 3.500 Dollar im Monat übrig. Bild: m. schwikowski

Namibia hat knapp zwei Millionen Einwohner. Die soziale Schere zwischen Arm und Reich klafft laut Entwicklungsbericht der Vereinten Nationen dort am weitesten auseinander und Dörfer wie Otjivero gibt es viele. Hier hat vor allem die Jugend wenig Perspektiven. "Die Kinder hatten sonst immer Unfug im Kopf, klauten Essen oder lungerten herum", erzählt Joseph Ganeb. "Jetzt haben wir 30 Fernseher im Dorf, und sie haben mehr zu essen als zuvor", meint Ganeb, der mit 61 Jahren kein BIG erhält, aber eine kleine Rente von 420 Dollar (40 Euro).

In Frieda Nembayas Wellblechhütte fügt ein Elektroofen der namibischen Hitze noch einige Grade hinzu. Sie schwitzt in ihrer schwarzen Jeans und der hellen Schürze. Frieda schaut in den Backofen: Kleine eckige Brote garen da. Frieda verkauft 400 Stück am Tag und es bleiben 3.500 Dollar im Monat übrig. Ihr Mann ist Farmarbeiter und verdient viel weniger, aber mit Brotbacken fast rund um die Uhr können sie ihre sieben Kinder zur Schule schicken, Miete und Strom zahlen und sogar etwas zurücklegen.

Die Dorfschule ist in gutem Zustand. Dreihundert Schüler drücken täglich die Schulbank in Otjivero. Mittwochs wird Maisbrei ausgeteilt. "25 Kinder sind in meiner Klasse. Sie können sich besser konzentrieren und erhalten auch gute Noten", sagt die 30-jährige Klassenlehrerin Martha Christiaan. Ihr langes, giftgrünes T-Shirt bedeckt eng ihre zierliche Figur, sie gehört zur Volksgruppe der Nama. Sie sitzt in ihrem großräumigen Steinhaus mit ihren zwei Kindern und Freund zur Mittagspause. In Otjivero wird Zeit gemessen nach dem Motto "vor und nach BIG". Früher konnten die meisten Eltern Schulgeld und Schuluniform nicht bezahlen. "Jetzt kommen sie sogar mit zwanzig Dollar weniger aus, denn sie haben sich eingerichtet." Viele haben über Jahre kaum Geld in Händen gehabt. Martha genießt das Vertrauen der Eltern und fährt in die Stadt, um für die Kinder Schulmaterialien zu kaufen. Vier gespendete Computer sind voll im Einsatz, aber das Fax traf der Blitz.

Es gibt genug zu essen - die Kinder von Otjivero betteln nicht mehr. Bild: m. schwikowski

Das Geld habe das Menschsein verändert, ihr Wertgefühl, sagt sie. "Sie können selbst zum Lebenserhalt beitragen, zumal in der extensiven Landwirtschaft nicht mehr so viele Farmarbeiter gebraucht werden. Manche nutzen das Geld zum Transport in die Stadt, um dort nach Arbeit zu schauen. "Das Problem in Otjivero sind eher die Jugendlichen, die schaffen häufig die höhere Schulen nicht und kommen zurück, trinken und stiften Unruhe", sagt Martha, die außer Englisch alle Fächer in Khoegowab, der Dorfsprache lehrt. "Wenn BIG einbricht, gibt es wieder Diebstahl und Einbrüche."

Benachbarte Farmer sind nicht gut auf die Dorfbewohner zu sprechen. Sie klagen über Viehdiebstahl und Wilderei. "Wir hatten in unserer Kirche eine Versammlung mit den Farmern", sagt Joseph und kratzt sich leicht am Kopf. "Ich muss noch einiges richten, damit wir besser zusammenarbeiten können." Er ist der Vermittler zwischen den Schwarzen und Weißen in dieser Gegend, man schätzt ihn. Auf einer Farm gibt es neu entdeckte Kupfervorkommen, er hofft auf Arbeit für das Dorf. Ein paar Betrunkene sitzen herum. Alkoholmissbrauch ist dem BIG Dorfkomitee bewusst. Es besteht ein Abkommen mit den Betreibern der kleinen Kneipen, Shebeens genannt, Alkohol nicht am Zahltag von BIG auszuschenken. "Ich kontrolliere das, und wenn ich es doch sehe, hat derjenige keine Mütze mehr auf", schimpft Joseph, kommt aber gegen die Profitgier von Kneipenwirten nicht an. BIG verschulde die Bewohner, heißt es häufig bei den Farmern, denn sie lassen im Dorf jetzt noch mehr anschreiben, um es mit dem nächsten BIG zu bezahlen. Viele Farmer wären froh, wenn es das Dorf nicht gäbe. Die Regierung siedelte 1991 die Bewohner dort an, unter ihnen arbeitslose Farmarbeiter.

"Wir wissen, dass BIG nicht die einzige Lösung ist", sagt Pastor Petrus Khariseb im BIG-Sekretariat der lutherischen Kirche. "Aber Namibia sitzt auf einer sozialen Zeitbombe und BIG kostet die Regierung nur 1,4 Milliarden Dollar, rund drei Prozent vom Bruttosozialprodukt - das ist finanzierbar." Es fehle an politischem Willen, Korruption bereichere die Elite. Einzelne Politiker hätten sich zwar positiv zu BIG geäußert, aber der Premierminister sprach von einem "Witz". Der gerade ins Kabinett als stellvertretender Sozialminister gewählte Alpheus Muheua sitzt in seinem Ministerbüro in der Stadt und sagt nur so viel: Die Regierung wird BIG nicht landesweit ausrollen, weil es langfristig nicht durchführbar sei. "Wir wollen das soziale Netz ausbauen und Bedürftige stärken." Namibia sitze auf Diamanten, Uran und anderen Reichtümern, aber Firmen seien in ausländischer Hand. Das Land feierte gerade zwanzig Jahre Unabhängigkeit. Trotz vieler Fortschritte sei es ein langer Weg, Armut zu beseitigen, meint der Minister. Als ehemaliger Gewerkschaftsboss war Muheua wohl für BIG. Viele Gewerkschaftler wollen in die Politik und halten dann den Mund, glauben die BIG-Leute. Die Zivilgesellschaft müsse stärker werden.

"In Namibia gibt es noch keine eigenständige Arbeitnehmerschaft und die soziale Basis für politischen Widerstand fehlt", sagt Volker Winterfeldt, Soziologe an der Uni von Namibia. "Viele Menschen essen nur eine Mahlzeit am Tag und BIG gibt eine minimale Chance gegen Armut und für verbesserte Gesundheit." Sein Kollege Rigmar Osterkamp, Volkswirt und Dozent für Wirtschaft an der Uni, sieht es so: "BIG macht eher abhängig und entbindet die Regierung von ihrer Verantwortung. Um es zu finanzieren, müssten die Steuern um 12 Prozent erhöht werden." Aber er bezweifelt die Erhebungsmethode in den überaus positiven Studien. "Es fehlt die Beweiskette, dass BIG wirklich langfristig Unterschiede macht." Er sieht im BIG-Projekt mit der deutschen Unterstützung das Ziel: Für die Forderung nach einem Grundeinkommen in Deutschland soll es ein konkretes Beispiel geben.

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15 Kommentare

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  • D
    denninger

    Im Gegensatz zu Dir, "Kinnal" kann ich nicht nur lesen sondern verstehe auch etwas von Volkswirtschaft.

    In der Dissertation werden Teile des Einkommens (hier das BGE) mit der Konsumsteuer "verrechnet", um den Schein einer Steuerprogression zu erzeugen.

    Und das geschieht auch noch unter der Annahme des Vollkonsums ohne Sparquote oder Geldfluss ins Ausland (Frisst der Reiche etwa 20 Schnitzel am Tag?).

    Das ist Schwachsinn!

    Ziel der Steuerpolitik ist die gerechte Besteuerung des Einkommens nicht des Binnenkonsums.

    Ebenso wäre diese Art der Besteuerung kein konjunkturpolitisches Instrument.

  • M
    Mariechaon

    @ Löffelstiel: oder folgende:

     

    Die Natur von Realität und die Realität von Natur:

     

    Was wirklich "real" ist und was nicht bedürfte einer (sicher sehr spannenden)tiefgründigeren Untersuchung, man kann aber sicher folgendes festhalten: Wer genau beobachten und analysieren kann ist im Vorteil.

     

    Daraus könnte man lernen:

     

    1. Jeder erlebte Moment, jedes Ereignis in diesem Universum beruht nach eingehender Untersuchung (Bitte: Mir das einfach zu glauben zeugt von relativ hoher Dummheit. Es selber zu untersuchen von relativ hoher Intelligenz!) auf diversen Ursachen und hat diverse Auswirkungen auf kommende Momente und Ereignisse. In _diesem_ Sinn ist «Sein» nicht bedingungslos sondern in Gegenteil eine unendliche Serie von sich einander bedingenden Bedingungen.

     

    2. Politik „bezeichnet jegliche Art der Einflussnahme und Gestaltung sowie die Durchsetzung von Forderungen und Zielen, sei es in privaten oder öffentlichen Bereichen.“ (Definition Wikipedia). Sie hat also keinerlei kausalen Zusammenhang mit "durchgereichter Realität". Sie ist selber da (real?). Sie findet im Hier und Jetzt statt (in der "Realität"?). Aber sie reicht vor allem "Einflussnahme und Gestaltung sowie die Durchsetzung von Forderungen und Zielen" durch, sicher nicht Realität!

     

    3. Evolutionäre Realität ist, dass der Homo sapiens sapiens bei seiner Entwicklung durch seine Intelligenz immer mehr Arbeit mit weniger Aufwand verrichten konnte. Gleichzeitig wächst die globale Bevölkerung. Es hat also immer mehr Menschen, die mit immer weniger Arbeit mehr produzieren und dienstleisten können (vgl. z.B. Industrialisierung). Da ist die _logische_ Folge, dass irgendwann einmal für einen Teil der Menschen die Arbeit – zumindest die existenziell überlebenswichtige – ausgeht, da wenige soviel Überfluss generieren, dass der für mehr als nur sich selber reicht. Das Grundeinkommen ist also eine fast schon folgerichtige, sinnvolle, unabwendbare Realität :)

  • M
    Mariechaon

    @ Löffelstiel: Ich möchte zu ihrer Bemerkung noch ein paar Gedanken einstreuen. Zum Beispiel folgende:

     

    Pflanzen wachsen ohne zu arbeiten. Und tragen nicht selten auch Früchte!

     

    Daraus könnte man lernen:

     

    1. Die Energie auf der Erde nimmt konstant zu durch einen einzigen Faktor: Sonnenlicht.

     

    2. Ein Grossteil dieser Energie wird auf unserem Planeten vielfach und auf vielfältige Weise umgewandelt, gespeichert und teilweise verbraucht. Aber die Energie an sich ist tagtäglich kostenlos.

     

    3. Eine Gorillagruppe arbeitet also nicht sehr viel am Tag: sie ziehen weiter, bauen neue Nester, essen, kopulieren und schlafen.

     

    4. Das Essen erhalten sie bedingungslos. Der Überlebenskampf um die Energie ist teils Arbeit (z.B. Territoriumsverteidigung für geeignetere Lebensräume), teils aber auch (z.B.) Synergie oder Symbiose (Die Planzen profitieren nach dem Essen ihrer Früchte durch Gorillas von der Verbreitung ihrer Samen). Allerdings bleibt der Arbeitsaufwand um zu überleben für intelligente Wesen sehr, sehr klein. Und macht, nicht immer, aber meistens auch noch Spass: Sex, Essen, Schlafen...

     

    5. Es entsteht also ein Mehrwert durch Arbeit, aber der grosse Anteil der Energie zum Überleben kommt tagtäglich durch Sonnenenergie gratis auf unseren Planeten und kann von jedem Lebewesen (noch, zumindest solange gierige Manager sie nicht privatisieren und vermarkten) frei genossen werden.

  • K
    Kinnal

    @denninger:

     

    Eine Konsumsteuer plus Grundeinkommen ist niemals linear, sondern immer progressiv (Rechenbeispiel in der Dissertation auf Seite 77: 100% MwSt plus 1000 € Grundeinkommen).

     

    Eine Einkommensteuer Flat Tax auf alle Einkommen plus Grundeinkommen ist genauso progressiv (z.B. 50% plus 800 € Grundeinkommen - zu lesen ab Seite 85).

     

    Hättest du mal in die Dissertation des "Doktoranten" hineingeschaut, wüsstest du das auch.

     

    Wer lesen kann, ist im Vorteil! ;-)

  • D
    denninger

    Ja um Gottes willen, Herr "Dr. Ludwig Paul Häußner", unsozialer geht es wohl kaum.

    Dem Herrn Doktor und seinem Doktoranten ist offenbar nicht bewusst, dass die progressive Einkommensteuer nicht nur soziale Gerechtigkeit schafft sondern auch ein Instrument der staatlichen Konjunkturpolitik ist.

    Beide Funktionen erfüllt die lineare Mehrwertsteuer nicht.

    Das bedeutet dann dass Arme und Reiche mit dem selben Steuersatz besteuert werden. Da freut sich die Oberschicht und kauft im Ausland ein.

    PS Falls das ein 01. Apris Scherz sein soll bin ich zu humorlos um ihn witzig zu finden.

  • PR
    Petra Raab

    Über das Grundeinkommen wird wie über das 8. Weltwunder diskutiert.

    Es ist selbstverständlich, dass jeder im Volk ohne

    zu betteln und ohne zu etwas gezwungen zu werden, ein

    Grundeinkommen bekommt, es mangelt nicht an

    Ressourcen.

    Es mangelt an der "Opferbereitschaft" der herrschenden

    Klasse, dass dies auch umgesetzt wird.

  • L
    Loeffelstiel

    1 Mensch auf einer einsamen Insel.

    Wuerde er von Grundeinkommen leben muessen und sich dazu entschliessen lieber sozialistische Figuerchen in den Sandstrand zu malen statt fischen zu gehen, waere er bald tot.

     

    Daraus koennte man lernen:

     

    1. Politik reicht in erster Linie Realitaet durch.

    2. Die Realitaet funktioniert prinzipiell nicht bedingungslos.

    3. Es ist nicht egal, ob und wie sich der Mensch entfaltet/beschaeftigt. Ist es das falsche, geht es "zwingend" nach hinten los.

     

    Das bedingungslose Grundeinkommen unterminiert folglich eine Ausregelung/Korrektiv gegenueber der hinterstehenden Realitaet, die sich weder fuer Ideologien interessiert noch irgendwie verschwinden wird.

  • HW
    Henrik Wittenberg

    Pressespiegel über die derzeit stattfindende Informationsreise zum Grundeinkommensprojekt in Namibia:

    http://bgekoeln.ning.com/profiles/blogs/pressespiegel-ueber-die

  • B
    Bohrah

    Das eın armes Dorf ın Afrıka es uns vormachen muss ıst schon traurıg. Wır könnten wenıgstens es probeweıse ın eınem Bundesland laufen lassen, aber das wırd nıe passıeren... .

  • MD
    Mellow Dramatic

    Bevor hier weitere Loblieder auf die Übertragbarkeit des Grundeinkommes nach D gesungen werden, bitte folgende Rahmenbedingungen berücksichtigen:

     

    Das BIG wird faktisch extern finanziert und man möge bitte die Volumen beachten:

     

    BIG: 9 Euro

    kleine Rente: 40 Euro

    Einkommen durch Brotbacken: 340 Euro

     

    Das Grundeinkomen beträgt also weniger als ein Viertel einer kleinen Rente und ein 35stel (ca. 3 %) eines Arbeitseinkommens.

     

    Na, dafür kann ich sicherlich Viele erwärmen, einfach 200 oder gar nur 60 Euro im Monat statt Sozialhilfe oder Hartz 4 zu zahlen.

     

    BGE in Deutschland ist sektiererischer Unsinn, genau so wie die fixe Idee, mit breiten Steuersenkungen staatliche Mehreinnahmen zu erwirtschaften. Das ist Voodoo, aber kein seriöser politischer Ansatz.

  • RK
    Roland Kulke

    Ich habe mich sehr gefreut an so prominenter Stelle in der TAZ über dieses wundervolle Projekt zu lesen. 4/5 des Artikels sind sehr interessant und ausgewogen. Danach wird es traurig...

     

    Es ist das altbekannte Vorurteil gegenüber den Armen: Die sind arm, weil sie ja eben nicht mit Geld umgehen können und deswegen nicht investieren, sondern saufen und sich noch mehr verschulden... anders kann ich mir zumindest nicht erklären, warum dies im Artikel aufgewärmt wird.

     

    Ärgerlich wird es, dass Martina Schwikowski ihren Artikel mit den Äußerungen von Rigmar Osterkamp schliesst. Namibia ist ein Land der Dritten Welt. Dort finden sich komplett andere polit-ökonomische Bedingungen vor, als in Europa. Während die politische Ökonomie der Dritte-Welt Staaten von ökonomischen Renten dominiert ist, basiert diejenige Europas auf Profit.

    Das "BIG" kann schlicht als ein wunderbarer Kunstgriff angesehen werden, dem Marktmechanismus in Namibia auf die Beine zu helfen (mit einem absoluten Minimum an Chancen der Elite sich an diesen Mitteln zu bereichern). Dies funktioniert über eine breite Nachfrage nach lokal herstellbaren Produkten.

     

    Deswegen ist die Äußerung von Osterkamp eigenartig, dass er eine so leichte Übertragung der positiven Ergebnisse von Namibia auf Deutschland befürchtet. Aber vielleicht ist dies ja auch nur folgerichtig: schliesslich hat er am IFO-Institut gearbeitet und von dessen Chef Sinn sind wir ja auch nur verquere "Analysen" à la Basar-Ökonomie gewohnt.

     

    Nur hätte ich eben mehr von der TAZ erwartet...

  • DL
    Dr. Ludwig Paul Häußner

    Grundeinkommen in Deutschland ist finanzierbar

     

    -----------------------------------------------

     

    Der Staat stellt Menschen ohne eigenes Einkommen nahezu jenen finanziell gleich, die wenig verdienen, aber ihren Lebensunterhalt aus eigener Kraft bestreiten. Ist das gerecht? Einige Ökonomen glauben, ein staatlich garantiertes Grundeinkommen – etwa in Form des von der FDP propagierten Bürgergelds – könne den Spagat zwischen sozialer Verantwortung und Arbeitsanreizen besser lösen als das etablierte Hartz-IV-System. Chancen haben diese Konzepte aber nur, wenn vorher klar ist, was sie kosten.

    „Ein Grundeinkommen wäre kaum teurer als Hartz IV“, sagt jetzt André Presse vom Interfakultativen Institut für Entrepreneurship (IEP) an der Universität Karlsruhe. In seiner Dissertation*, die im April veröffentlicht wird, hat sich der Wirtschaftswissenschaftler mit alternativen Sozialstaatskonzepten beschäftigt; finanziert durch eine höhere Mehrwertsteuer.

     

    Dieses Konzept hat Presse einem Praxistest unterzogen. Sein Ergebnis: Verglichen mit Hartz IV würden zehn bis 20 Milliarden Euro Mehrkosten auf den Staatshaushalt zukommen. Datenbasis ist die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe, die das Statistische Bundesamt alle fünf Jahre für die Bundesrepublik erhebt. Die letzen verfügbaren Zahlen beziehen sich auf 2003. Presse packt die deutsche Einkommensverteilung in eine Formel, die auf den englischen Ökonomen Ian Pen zurückgeht. Der hatte in den Siebzigerjahren eine als Pen’s Parade bezeichnete mathematische Kurve definiert. Diese entsteht, wenn sich die Bürger eines Landes der Größe nach aufstellen, wobei jeder Einzelne so groß wird wie sein Einkommen. Arme erscheinen als Zwerge, Reiche als Riesen.

     

    Mithilfe dieses Ansatzes hat Presse berechnet, wie viel es kostet, die untersten Einkommen bis auf ein kulturelles Existenzminimum von monatlich 900 Euro aufzustocken. Anders als das FDP-Bürgergeld orientiert sich Presse nicht an der Einkommen-, sondern an der Umsatzsteuer, auf die er das gesamte deutsche Steuersystem schrittweise umstellen will. Dabei schießt der Mehrwertsteuersatz in die Höhe, doch das Preisniveau bleibt laut Presse konstant, wenn im Gegenzug in den Nettopreisen enthaltene direkte Steuern wegfallen. Das Finanzamt erstattet dann jedem Bürger die auf seine lebensnotwendigen Ausgaben anfallende Mehrwertsteuer. Was die Umsetzung erleichtert: Seit 2008 vergibt der Fiskus an jeden Deutschen eine lebenslang gültige Steuernummer. Die Beamten könnten daher die Ansprüche auf Grundeinkommen verwechslungsfrei prüfen und auszahlen.

     

    Hier der Link zur Publikation:

     

    http://uvka.ubka.uni-karlsruhe.de/shop/isbn/978-3-86644-485-0

     

    L.P.Häußner, KA

  • DD
    Dschoardsch Dabbäljuh Bhousche

    Die Bundesrepblik Deutschland sollte erst mal Entschädigungszahlungen an die Herero und die Nama zahlen, bevor es sich an die Entwicklungshilfe in Südwestafrika ranmacht. Dort wartet man bis heute auf folgendes:

     

    Entschuldigung und Wiedergutmachung dafür:

    Als Namibia noch die Kolonie Deutsch-Südwestafrika war haben die militaristischen Deutchen ein völkermordartiges Massaker am namibischen Volk angerichtet. Mit Entwicklungshilfe können wir uns nicht rausreden. Die Bundesrepublik sollte sich kulturell und wirtschaftlich stärker in den ehemaligen Kolonien engagieren, sie ist es den ehemals unterdrückten Völkern schuldig.

     

    In Namibia, wo Deutsch Nationalsprache ist, und wo es bis 1994 sogar Amtsaprache war, müssten die Deutschen sich auch personell engagieren und für Schulen mit Deutschunterricht sorgen. Nur so - mit Bildung und nicht mit Entwicklungshilfe - kann eine gute Basis für die wirtschaftliche Entwicklung gewährleistet werden. Namibia ist eines der reichsten Länder des afrikanischen Kontinents, das vermögen ist jedoch nirgendwo sonst so ungleich verteilt wie hier (die ehemaligen deutschen Kolonisten besitzen sozosagen ''alles''). Deshalb sollte man auch die Afrikanisierungskampagnen des derzeitigen Präsidenten unterstützen.

  • K
    kamy

    Entschuldigung, aber das war kein bedingungsloses Grundeinkommen, das waren Almosen. Oder, wenn man es positiv formulieren will, waren dies die ersten Ansätze einer Sozialpolitik.

     

    Was Grundeinkommen theoretisch definiert ist ihre Selbstfinanzierung aus den Einkommen des Landes und keine Prüfung von Bedürftigkeit. Nun, in diesen verarmten Dörfern in Namibia ist eine Bedürftigkeitsprüfung überflüssig - die sind es. Also war es einfach der Versuch einer Simulation von Sozialhilfe ... gesponsert von Hilfsorganisationen, sprich, Almosen. Man sollte es auch so nennen und nicht als Versuchsfeld für das Grundeinkommen bezeichnen.

  • A
    Andreas

    Kleiner Fehler in der Bildunterschrift: Nicht 9 Euro am Tag, 9 Euro im Monat!

     

    (An die prüfenden RedakteurInnen: Eher als Hinweis, lege keinen Wert auf Veröffentlichung)

     

    LG