Grüner Volker Beck über Homo-Ehe: "Schwule und Lesben sind realistischer"
Die eingetragene Lebenspartnerschaft wird zehn Jahre alt. Ihr politischer Vater, Volker Beck (Grüne) sieht Deutschland derzeit als europäischer Nachzügler in Sachen Adoptionsrecht und Steuern.
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taz: Herr Beck, sollen wir eigentlich von der Homoehe sprechen?
Volker Beck: Homoehe war ursprünglich ein abwertender Kampfbegriff der Gegner. Ich spreche deshalb von der eingetragenen Lebenspartnerschaft.
Sie gelten als Vater des Gesetzes. Wie geht es Ihrem Kind denn jetzt zum zehnten Geburtstag?
Es macht sich in der Schule schon ganz gut, die Fortschritte sind unverkennbar. Aber bis zum Abitur ist es noch ein weiter Weg.
Die Geburt war schwierig. Sie kämpften 2001 nicht nur gegen Widerstände aus Union und FDP, sondern ernteten auch Kritik aus der Homoszene. Weshalb eigentlich?
Viele meinten, dass man damit die Sexualmoral der 50er Jahre zurückholen wollte. Es ging aber darum, dass Menschen, die füreinander dauerhaft Verantwortung übernehmen wollen, das rechtlich absichern können. Wie sie ihre Sexualität leben, das geht Staat und die Gesellschaft nichts an. Sexualität ist nicht das Thema des Familienrechts.
Verpartnern sich Homosexuelle eigentlich aus den gleichen Gründen, aus denen Heterosexuelle heiraten?
Sie denken über eine Verpartnerung oft länger nach, ob sie also in einer Lebenssituation sind, die man rechtlich absichern muss.
Spielen also pragmatische Gründe eine wichtige Rolle?
Die spielen sogar eine größere Rolle als bei Heterosexuellen. Oft wollen Staat oder Familie in eine homosexuelle Partnerschaft reinregieren, etwa im Krankheitsfall, beim Tod oder wenn es ums Erbe geht. Davor kann die Lebenspartnerschaft schützen.
Die Scheidungsraten bei Homosexuellen sind deutlich geringer. Was können Heterosexuelle von ihnen lernen?
Man darf nicht pauschalisieren. Aber oft ist der Schritt besser überlegt, und zudem wissen Schwule und Lesben einfach häufiger zu trennen zwischen sozialer Treue und den Vereinbarungen, die sie gemeinsam in ihrem Sexualleben verabreden. Das verringert den Sprengstoff für Trennungen erheblich und ist letztlich realistischer.
In den vergangenen Jahren gab es viele Verbesserungen, oft erzwungen durch Gerichte. Wo sehen Sie die größten Baustellen?
Im Adoptions- und Steuerrecht. Letztlich wollen wir die Öffnung der Ehe.
Deutschland war Vorreiter bei der Gleichstellung in Europa und wurde jetzt aber von vielen überholt …
Wir waren 2001 das erste große Land in Europa, das sich auf den Weg gemacht hat. Wir wurden damals schon von der schwarz-gelben Mehrheit im Bundesrat ausgebremst. Endgültig zum Stillstand kam es, als die Union an die Macht kam. Und die jetzige Regierung macht ja gerade mal das Nötigste, was die Gerichte ihnen aufgeben. Selbst in katholischen Ländern wie Spanien oder Belgien hat man homosexuelle Ehen längst komplett gleichgestellt. Es wird Zeit, dass sich hier durch andere politische Mehrheiten wieder etwas tut.
Wie steht die Bevölkerung zu den Forderungen nach kompletter Gleichstellung im Adoptionsrecht oder bei Steuern?
Seit 2001 gibt es dafür eine große Mehrheiten von bis zu zwei Dritteln, und die Zustimmung ist gewachsen. Man sieht das ja auch, wenn man dem Volk aufs Maul schaut. Dort wird von Ehe und Heiraten gesprochen, nicht von Lebenspartnerschaft. Weil die Menschen den Unterschied, den das Recht bei uns da macht, nicht verstehen. Damit zeigt sich, dass das Kriterium der Geschlechtsverschiedenheit für die Ehe keine prägende Bedeutung mehr hat.
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