Grüner Ströbele über Koalitionsaussage: "Wir kommen in Erklärungsnot"
Der grüne Bundestagsabgeordnete Ströbele ist gegen eine Koalitionsaussage im Wahlprogramm. Eine Koalition mit der FDP, wie sie sich im Moment präsentiert, sei undenkbar.
taz: Herr Ströbele, sollen die Grünen vor der Wahl erklären, dass sie mit SPD und FDP regieren wollen?
Christian Ströbele: Nein, wir sollten uns weder im Wahlprogramm noch auf dem Parteitag auf eine Koalition festlegen.
Warum denn nicht? Die Ampel ist doch, wie es aussieht, die einzige Regierung, an der die Grünen mitwirken können. Warum wollen Sie das den Wählern verschweigen?
Es geht nicht um Verschweigen. Jeder Grüne kann kundtun, welche Regierung er für möglich oder wahrscheinlich hält. Aber ein Parteitagsbeschluss für eine Koalition mit der FDP würde eine Eigendynamik entfalten. Wir würden uns im Wahlkampf den Verdacht einhandeln, unsere Ziele - Atomausstieg, Mindestlöhne, Anhebung von Hartz IV oder die Enteignung von wüsten Spekulanten - nicht ernst zu meinen. Wir würden an dem gemessen, was die FDP derzeit vertritt - nämlich in wesentlichen Zielen das glatte Gegenteil. Die Leute fragen mich heute schon wegen dieser Ampeldebatte auf Veranstaltungen, ob wir grüne Ziele aufgeben. Wir kommen in echte Erklärungsnot, wenn wir uns darauf per Parteitagsbeschluss festlegen.
Soll das heißen, eine Ampel würde gar nicht funktionieren?
Mit der FDP, wie sie sich im Moment präsentiert - nein.
Wäre eine Festlegung der Grünen auf ein Ampelbündnis nicht trotzdem eine elegante Art, die Jamaika-Option - also das Bündnis mit Union und FDP - vom Tisch zu wischen?
Es gibt für Jamaika keine inhaltliche Grundlage. Aber wer will, soll bei den Grünen darüber diskutieren. Wichtig ist mir: Wenn die Grünen sich offiziell auf eine Ampel festlegen, verlassen sie das linke Lager. Das ist falsch. Denn auch für 2009 bahnt sich so etwas wie ein Lagerwahlkampf an. Wenn wir jetzt ein Bündnis mit der FDP beschließen, erwecken wir den Eindruck, nicht mehr zu diesem Lager zu gehören.
Aber eine Festlegung auf die Ampel würde auch FDP-Wähler irritieren. Wäre es nicht clever, denen zu signalisieren: Wenn ihr Westerwelle wählt und denkt, ihr bekommt Schwarz-Gelb, dann täuscht ihr euch. Stattdessen bekommt ihr Trittin und Ströbele.
Ach, mit solchen taktischen Winkelzügen gewinnen die Grünen doch keine Stimmen. Mit der FDP haben wir einen Wähleraustausch von einem Prozent.
Der taktische Vorteil einer Festlegung auf die Ampel wäre, FDP-Wähler so zu verunsichern, dass sie zur Union gehen. Damit in der Ampel die Grünen stärker als die FDP werden.
Mag sein. Es geht jetzt aber darum, Schwarz-Gelb zu verhindern. Wenn die eine Mehrheit bekommen, dann erledigen sich auch solche taktischen Finten.
Was ist mit Rot-Rot-Grün?
Ich will aus der linken Mehrheit bei den Wahlen eine Regierungsmehrheit machen. Das ist schwierig, auch weil die Linkspartei sich noch finden muss. Aber als Perspektive wäre Rot-Rot-Grün eine Variante.
Wenn die Grünen sagen: Ampel geht nicht, Jamaika gar nicht, Rot-Rot-Grün vielleicht irgendwann - dann heißt das übersetzt: Wer Grün wählt, wählt Opposition. Auch keine zündende Botschaft.
Nach der Wahl werden die Karten neu gemischt. Dann muss man mal sehen, wie flexibel die anderen Parteien sind. Und in welcher Koalition ohne unerträgliche Zumutungen grüne Ziele durchsetzbar sind.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Verlierer der Wahlrechtsreform
Siegerin muss draußen bleiben
Absturz der Kryptowährung $LIBRA
Argentiniens Präsident Milei lässt Kryptowährung crashen
RTL Quadrell
Klimakrise? War da was?
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören