Grüner Streit: "Es musste halt mal knallen"
Der grüne Abgeordnete Benedikt Lux spürt in seiner Fraktion trotz allen Streits Lust auf inhaltliche Politik. Er sieht keinen Widerspruch zwischen Kreuzberg und dem Rest der Partei.
taz: Herr Lux, Sie waren mal bei den Parteilinken, wollen kein Realo sein, verorten sich Mitte-links und damit zwischen den Fronten. Haben die Linken Anspruch auf einen Chefposten?
Benedikt Lux: Nein. Es gibt formal keinen Anspruch darauf. Jeder Abgeordnete darf selbst frei wählen. Allerdings steht grüne Politik auch dafür ein Minderheiten zu berücksichtigen. An dem jetzigen Wahlergebnis sieht man aber auch, dass sich viele ungebundene Abgeordnete von unseren jetzigen Fraktionsvorsitzenden doch besser vertreten fühlen - wenn auch knapp.
Beim ganzen Flügelstreit fragt man sich doch: Wie machen das die anderen Grünen in 14 von 16 deutschen Landtagen? Nur in Bayern gibt es noch eine Doppelspitze wie in Berlin.
Benedikt Lux,
29 Jahre alt, ist Jurist und Ex-Bundeschef der Grünen Jugend. Seit 2006 sitzt er im Abgeordnetenhaus. Sein Wahlkreis ist in Steglitz.
Die grüne Doppelspitze hat eine gute Tradition, vor allem, damit wir mindestens von einer Frau vertreten werden. Das nützt uns massiv, vielleicht gerade auch in unserem aktuellen Konflikt.
Wie viel von dem aktuellen Streit ist Lagerkampf und wieviel persönlicher Konflikt zwischen Dirk Behrendt und Volker Ratzmann?
Naja, es ging hier und da auch um die Ausrichtung der Grünen insgesamt - oft leider viel zu oberflächlich. Ratzmann und Behrendt sind eigentlich professionell genug, ihre Konflikte auszutragen ohne der gesamten Fraktion zu schaden.
Die Kreuzberger Linken und der Rest der Partei, vor allem in Pankow, Mitte und Zehlendorf - die konnten doch noch nie richtig miteinander. Was ist inhaltlich eigentlich neu?
Diesen Widerspruch halte ich für konstruiert. Klar, es gibt ein anderes Lebensgefühl in den Kiezen. Als jemand, der in drei dieser Bezirke schon gewohnt und Politik gemacht hat, sage ich: Es gibt viele linke WählerInnen, die mittlerweile in Lichterfelde wohnen und uns wählen, weil sie den Ströbele von früher kennen. Genauso gibt es viele aufstrebende Großstadtneulinge, die in Kreuzberg wohnen und uns wählen, weil sie Joschka Fischer oder Cem Özdemir gut finden. Alle verbindet, dass sie weniger auf Kosten anderer und auf Kosten unserer Zukunft leben wollen.
Das linke Lager sagt: Wir fühlen uns ins zentralen Fragen nicht vertreten - Fraktionschefin Ramona Pop hingegen behauptet, dass es in den vergangenen Jahren gar keine großen Auseinandersetzungen gab. Was ist wahr?
Beides. Viele Linke haben die Öffnung zur Mitte oder in das so genannte bürgerliche Lager kritisch gesehen. Hier müssen sich auch unsere Spitzenleute fragen, ob sie mit dieser Öffnung nicht übertrieben haben und ob unser Wahlkampf dadurch nicht entsprechend langweilig und harmlos war.
In anderen Grünen-Landesverbänden gab es durchaus mal Abspaltungen. Ist es so ausgeschlossen, dass das auch in Berlin passieren kann?
Ja, wenn alle bei Vernunft sind. Wir haben eine Riesenchance, als stärkste Oppositionskraft gute Vorschläge für die Stadt zu machen. Und gerade weil wir mit der Linkspartei und den Piraten konkurrieren, dürfen wir uns nicht blockieren, sondern müssen schnell und konsistent linksalternative Ideen liefern. Die bürgerlichste Opposition sind wir ja ohnehin.
Ist die jetzt vereinbarte Schlichtung ein innerparteiliches Stuttgart21 mit einem grünen Heiner-Geißler-Verschnitt als Mediator?
Ja, kann man so sagen. Die Vermittler sollen die Interessen beider Lager ausgleichen. Auch hier gilt: Sie organisieren einen Vorschlag, an dem sich die frei gewählten Abgeordneten orientieren sollten aber nicht müssen.
Am Dienstagabend war trotz dicker Türen gut zu hören, wie heftig es bei der Fraktionssitzung zuging. Ist da wirklich noch etwas zu retten?
Naja, es musste halt mal knallen, damit sich was ändert. Die taz hat uns ja auch aufgefordert, dass wir uns streiten. Das werden wir auch weiter tun (lacht). Ich bin sicher, alle grünen Abgeordneten haben richtig Lust darauf, inhaltliche Politik zu machen. Das war trotz alledem in der Fraktionssitzung richtig spürbar. Und die Chance dafür ist einmalig: Die Politik einer großen Koalition hat uns Grüne bislang immer gestärkt.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören
Jens Bisky über historische Vergleiche
Wie Weimar ist die Gegenwart?
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche