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Grünen-Wahlkampf in Schleswig-HolsteinDie falschen Kandidaten

In der Kleinstadt Plön herrscht Frust über die politische Gesamtsituation. Die Grünen finden Anklang, aber sie bieten nicht das richtige Personal.

Susanne Elberts Herz schlägt untypisch grün Foto: Oliver Killing

Plön taz | Susanne Elbert denkt grün, lebt grün, sie wirbt und kandidiert für Grün. Nur eines ist die 51-Jährige nicht: typisch grün. Die Direktkandidatin im Wahlkreis 6, Plön-Neumünster, saß mal bei der FDP, später war sie SPD-Mitglied. Als wissenschaftliche Assistentin hat sie im Büro des heutigen schleswig-holsteinischen FDP-Wirtschaftsministers Bernd Buchholz gearbeitet. „Der Bernd“, so nennt ihn Elbert, sei einer, der wisse, wie man die Menschen erreiche. Einer mit Charisma. Ein Lindner-Typ.

Am Samstagmorgen steht Elbert für die Grünen in der Fußgängerzone im Plöner Regen, obwohl sie ja keine Chance hat im Wahlkreis 6. Den wird ziemlich sicher die CDU-Kandidatin gewinnen, das sei hier halt so. „Der Robert“ habe sie einst überzeugt, sich für die Grünen zu engagieren. Mit seiner Art, den Menschen zuzuhören, auf sie einzugehen.

„Der Robert“, das ist Robert Habeck, Schleswig-Holsteins stellvertretender Ministerpräsident, zuständig für Energiewende, Landwirtschaft und Digitalisierung. Er hat das, was Susanne Elbert derzeit bei den Grünen etwas vermisst: ein Gesicht, das für die nachhaltigen Wahlziele der Grünen steht. Er könnte das vermitteln, da ist sich Elbert sicher.

Grün passt nicht ins Bild

In den Straßen Plöns aber hängen nur die Plakate des bundesweiten Spitzenduos. Katrin Göring-Eckardt blickt von einem herab, auf dem anderen tut dies Cem Özdemir. Gegen ihn hat Habeck die Urwahl um die Spitzenkandidatur knapp verloren, sonst – das ist sicher – würden seine Plakate hier hängen. Die beiden vorderen ListenbewerberInnen des Landes findet man ebenfalls auf den Pappschildern – nur kennt kaum jemand Luise Amtsberg und Konstantin von Notz.

In Plön, mit 8.700 Einwohnern zwischen Lübeck und Kiel gelegen, wirken die Plakate der Grünen fehl am Platz. Der Große Plöner See bildet die Kulisse für das kleine Städtchen, in dessen Zentrum die Nikolaikirche steht. Töpferlädchen, Schmuckhändler, mehrere Cafés, gut besucht von mittelalten und älteren Menschen, und drei Apotheken bietet die Einkaufstraße in der Innenstadt. Und auch sonst alles, was nett aussieht und dem größeren Geldbeutel nicht wehtut. Etwas oberhalb erhebt sich das Plöner Schloss, aufgekauft einst vom Brillenhersteller Fielmann. Der Optiker betreibt dort seine Akademie. Alles in allem: deutsche Provinz, wie sie schmucker nicht geht.

„Entweder Schluss mit Kohle oder Schluss mit Klima“, titeln die Grünen. Susanne Elbert, die am Nachmittag zum Haustürwahlkampf aufbricht, soll solche Botschaften vermitteln. Sie weiß: „Man überzeugt die Menschen nicht an der Tür. Es geht vor allem darum, eigene Klientel zu mobilisieren“. Dass Schleswig-Holstein überschaubar ist, beweist schon der erste Haustürbesuch. Antje Fernes öffnet. Sie freut sich, dass die Direktkandidatin vorbeischaut, gerät ins Plaudern übers Lokale. „Der Ulf Kämpfer kam früher immer bei mir vorbei, um Bonbons zu holen. Immer zwei wollte der nehmen“, erzählt Fernes. Ulf Kämpfer ist heute Oberbürgermeister in Kiel. Und wie findet sie die große Politik? Zufrieden sei sie, auch mit der Jamaika-Koalition in Schleswig-Holstein, „der Habeck kriegt meine Stimme, den habe ich persönlich kennengelernt, der ist sympathisch.“

An den weiteren Hauseingängen wird klar: So zufrieden wie Frau Fernes sind nicht alle. Manche hadern, dass in Plön Angebote für Kinder und ­Jugendliche fehlten, auch Raum für Hunde oder kostenlose Autostellplätze. Andere sind mit der Gesamtsituation ­unzufrieden. Keine Wahl habe man bei der Wahl, heißt es. Über „Rosneft und Schröder“ ärgert man sich und darüber, dass es keine ehrlichen, der Sache dienlichen PolitikerInnen mehr gebe. SPD sei gleich CDU, sowieso vieles mehr Schein als Sein.

Gute Absichten grüner Politik

„Nehmen Sie nur mal den Macron, die Lachnummer“, redet sich eine Pensionsbesitzerin in Rage. Sie war mal eine echte Linke, zeitweise radikal, nah dran an der RAF. Ob sie die Linke wählt, glaubt sie aber nicht, auch Wagenknecht sei kein Gysi. „Gute Absichten gibt es in der Politik nicht mehr, es geht nur noch um Kohle, um Macht“, echauffiert sie sich.

Susanne Elbert hört geduldig zu, mal zehn Minuten, mal zwanzig, wenn nötig noch länger. Erst ganz am Schluss, wenn sich der Frust entladen hat, weist sie freundlich auf ihre Partei hin. Klimaschutz, E-Mobilität, starkes Europa, starke Familien, und so weiter.

Plön und die Region will Elbert lebenswert erhalten, für junge Familien, für kleine, mittelständische Unternehmen. Elbert argumentiert schlüssig, sie bräuchte die Flyer nicht, auf denen all das, wofür die Grünen stehen, erklärt wird. Aber: „Die Grünen sind nicht mehr dran an den Menschen, die flammende Überzeugung fehlt“, findet die Pensionsbesitzerin. „Grün trägt das Gesamtkonzept nicht nach draußen“, sagt ein anderer.

Doch genau dafür stehe Robert Habeck ja ein, antwortet Elbert dann. Die Leute nicken. Ja, der Habeck, den fänden sie sympathisch. Aber die grünen Plakate mit den frohen Botschaften fallen ihnen trotzdem nicht auf. Es ist eben nicht Robert Habeck, der darauf zu sehen ist – nicht mal in Schleswig-Holstein.

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3 Kommentare

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  • Das Problem der Grünen ist, dass sie zwei Realos an der Spitze haben. Es fehlt jemand, der wie einst Claudia Roth das linke grüne Herz repräsentiert. Gerade, wenn der Zug Richtung Schwarz-Grün oder Jamaica geht, ist es falsch, wenn die sozial orientierten linken Grünen an der Spitze nicht mehr repräsentiert sind. Den Realo Özdemir gegen den Realo Habeck auszutauschen würde überhaupt nichts bringen.

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Also ich prüf das jetzt mal nach - mein Herz schlägt immer noch links!

     

    Das ist ein gutes Beispiel für Cultural Appropriation (Kulturelle Aneignung), ein Begriff, der in der taz erst vor einiger Zeit lang und breit erläutert wurde. Leider unverstanden.

     

    Die kulturelle Arroganz, mit der sich die liberale Mittelschicht mit den revolutionären Symbolen der Arbeiterklasse schmückt, kann ich auch schwer anders als sozial-rassistisch begreifen.

     

    Der Klassengegensatz ist zwar einigen Grünen durchaus im Bewußtsein, aber so viel Achtung gibt es spätestens in der Wahlkampfabteilung nicht mehr. Irgendwo dazwischen geht etwas entscheindes verloren - die Menschenwürde.

  • Wie ist das? ".. kaum jemand Luise Amtsberg und Konstantin von Notz."

     

    Von Notz ist eines der wenigen Gesichter aus dem Bundestag, die in Erinnerung bleiben. Regelmäßig ist er derjenige, der glaubwürdig Auskunft geben kann, zu komplizierten Fragestellungen in Ausschüssen. Dabei sitzt er dort, wo richtig dicke Bretter gebohrt werden.

     

    So steht er vorne auf der Liste, denn man befürchtet, sie zieht nur bis Platz zwei oder drei. Habeck hat zudem entschieden, Vize-Ministerpräsident ist mehr als normaler Abgeordneter.

     

    Doch wie sein Widerpart Wolfgang Kubicki ist Konstantin von Notz ein echter Typ, einer jener kantiger Politiker, wie wir sie von vergangenen Tagen vermissen. Auch mit ihm kann die Partei Profil gewinnen. Er steht für die neue Generation, die auch ohne abgebrochene Ausbildung politische Ämter übernimmt.