piwik no script img

Grünen-Stratege Fücks"Eine Brücke für die Ampel"

Einen Dreiklang aus "sozial, liberal und ökologisch" hält der Grünen-Stratege Ralf Fücks für möglich - in Hessen wie auch im Bund.

Wird die Ampel in Hessen kommen? Bild: ap

taz: Herr Fücks, ihr Tipp: Wird die Ampel in Hessen kommen?

Ralf Fücks: Ich würde der FDP raten, sich nicht jeden Weg aus der verfahrenen Situation zu verbauen. Es kann auch nicht im Interesse der Liberalen liegen, mit ihrer Immobilität eine große Koalition zu erzwingen. Das wäre eine makabre Konsequenz des Wahlergebnisses. Ich denke, das letzte Wort ist in dieser Angelegenheit noch nicht gesprochen.

Und Rot-Rot-Grün? Wenn die linken Parteien eine Mehrheit haben, könnten sie sie nutzen.

Eine numerische Mehrheit ist ja noch keine politische. Nach allem, was ich über die Hessen-Linke weiß, ist diese Truppe nicht regierungsfähig. Und die SPD kann über diesen Rubikon auch aus bundespolitischen Rücksichten kaum gehen.

Auch keine Tolerierung?

Die hielte ich für fatal. Die Linke könnte die Preise diktieren, ohne Verantwortung zu übernehmen. Die Wahl einer rot-grünen Minderheitsregierung wäre allenfalls eine Übergangslösung, um Koch abzuwählen und Neuwahlen vorzubereiten.

Aber eine Ampel ist doch ebenfalls problematisch. Das Personal von FDP und Grünen mag sich nicht und inhaltlich gibt es große Unterschiede.

Sicher. Sie kommt nur unter einer Voraussetzung zustande: SPD und Grüne müssen der FDP eine Brücke bauen, sie darf nicht als bloße Mehrheitsbeschafferin für Rot-Grün erscheinen. Beide Seiten müssten ernsthaft eine Kombination aus sozial, liberal und ökologisch wollen. Dieser Dreiklang wäre auch eine interessante Option mit Blick auf den Bund. In der momentanen Pattsituation ist politische Beweglichkeit gefordert.

Sie haben 1991 bis 1995 in der Bremer Ampelkoalition als Umweltsenator regiert. Was kennzeichnet solche Bündnisse?

Sie sind schwierig. Es gibt keine gewachsene Übereinstimmung und keine kulturelle Affinität zwischen den dreien. Für die Beteiligten ist die Versuchung groß, sich auf Kosten der anderen zu profilieren, vor allem bei den kleinen Partnern FDP und Grüne. Dabei müssten gerade sie nach Gemeinsamkeiten suchen, statt sich von der SPD gegeneinander ausspielen zu lassen.

Nämlich wie?

Für beide Parteien sind Eigenverantwortung, Selbstbestimmung und bürgerschaftliches Engagement wichtig, Bildung und Kultur haben einen hohen Stellenwert. Die Gretchenfrage zwischen Grünen und FDP ist wohl, ob sie sich auf ein Konzept ökologischer Innovation verständigen können. An diesem Punkt zerbrach die Ampel in Bremen.

Stehen die Grünen nicht sehr gut da? Mit der Linken kommt ein fünfter Spieler aufs Feld, Dreierbündnisse werden wahrscheinlicher - und die Grünen sind für das bürgerliche wie das linke Lager anschlussfähig.

Das sehe ich anders. Beliebigkeit ist tödlich, die Grünen dürfen auf keinen Fall den Eindruck erwecken, sie könnten mit jedem. Schon gar nicht mit Koch. Die Grünen können sich auf übergreifende Allianzen nur einlassen, wenn ihr eigener politischer Ort sehr klar ist, nämlich als ökologische und freiheitliche Linke. Dann kann man auch Kompromisse machen.

Zum Beispiel Schwarz-Grün in Hamburg, wenn es mit der SPD nicht reicht?

Die Präferenz für Rot-Grün ist klar. Die Schnittmenge mit der SPD ist größer, in der Anhängerschaft überwiegen bei weitem die rot-grünen Sympathien. Man muss es nüchtern sehen - für die Grünen ist es ein großes Risiko, das Koalitionslager zu wechseln. Dieses ist nur gerechtfertigt, wenn ansonsten eine große Koalition droht.

Will heißen: Schwarz-Grün sehen sie in den nächsten Jahren nur als absolute Notlösung?

Koch hat es gezeigt: Wenn der CDU das Wasser bis zum Hals steht, schlägt sie nach rechts aus. Sie wird autoritär, fremdenfeindlich und illiberal. Solange es den Reflex gibt, sehe ich keine reale schwarz-grüne Option.

Aber ist das Modell Koch in der Union nicht abgemeldet?

Ich hoffe, dass sie ihre Lektion gelernt hat, bleibe aber skeptisch. Schauen Sie sich den Weg der CDU doch an: Ob es um Atompolitik geht, um Bürgerrechte oder um Mindestlöhne, alle aktuellen politischen Stichworte verstärken eher eine Rot-Grün-Orientierung. Darüber bin ich nicht begeistert, wenn ich die politische Regression der SPD beobachte - aber es ist leider so.

INTEVIEW: ULRICH SCHULTE

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!