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Grünen-ParteitagGetriebene der Onlineausgaben

Das allesbeherrschende Thema beim Grünen-Parteitag: die Berichterstattung über die eigene Partei. Ein ordentliches Gespräch war deshalb kaum möglich.

Mehr Debatten über Onlineberichterstattung als Richtungsstreit: Grünen-Parteitag mit Roth, Trittin und Özdemir. Bild: dpa

Wahlparteitage sind Großveranstaltungen von Parteien, die sich dort ihres Programms sowie ihrer Chancen vergewissern, dass sie die Wahl gewinnen können. Die Grünen haben gerade in Berlin die diesjährige Serie der Wahlparteitage eröffnet. Kommendes Wochenende wird die FDP in Hannover auftrumpfen.

Parteien werden generell nicht mehr für so interessant gehalten. Der Wähler als Wähler findet außerdem nichts abschreckender als zerstrittene Parteien, auch wenn der Wähler als Bürger jederzeit behauptet, dass die Parteien dringend mehr demokratisch diskutieren sollten. Wählerinnen sind da sogar noch strenger.

Die Grünen haben am Wochenende im Berliner Velodrom nun gezeigt, welcher Weg aus diesem Dilemma führt: Sie befassen sich einfach nur noch damit, wie sie in den Medien wegkommen. Bestimmt jeder Zweite war zu jedem Zeitpunkt entweder über sein Computerhandy gebeugt - oder sprach darüber, was die Online-Berichterstattung über die Grünen hergab.

Nun sind die Grünen und ihre Anhänger für ihre Internetfreundlichkeit berühmt. Wahlkampfchefin Steffi Lemke hat unlängst ausgeführt, dass sie selbst überrascht davon sei: 75 Prozent der Grünen-Wähler surfen mehrfach wöchentlich im Netz. Im Durchschnitt tun das nur 35 Prozent der Bevölkerung.

Doch für die Journalisten im Parteitagssaal hatte diese Freude am Netz erstens den bedauerlichen Effekt, dass das WLAN-Netz stets überlastet war. Dies erschwerte die Produktion derselben Nachrichten, die die Grünen mit ihren Palmtops und Blackberrys so hungrig verschlangen. Stöhnend hing die Kollegin von der Konkurrenzzeitung über ihrem Laptop: Sie konnte weder den jungen Mann von ihrer Onlineredaktion erreichen, der irgendwo da draußen im Orbit dafür zuständig war, ihre Zeilen ins Internet zu hieven. Noch konnte sie ihm den Text schicken: "Das Netz ist da, aber es spricht nicht zu mir", krächzte sie.

Zweitens aber war es unmöglich, mit einem Grünen über irgendetwas zu reden, was nicht bereits mindestens einmal durch den Medienfilter gegangen war. Auch die Redakteurin des steinzeitlichen Printmediums taz, die selbst noch an den Nachrichtenkonsum am Morgen nach dem Geschehen glaubt, musste sich zu Parteitagsbeginn gleich schon einmal dafür rechtfertigen, was ihre Onlineredaktion soeben auf taz.de eingespeist hatte.

Die Redetexte der Spitzengrünen wurden spätestens zur Rede selbst herumgemailt. So konnten die Delegierten bereits darüber nachdenken, ob die Nachrichtenagenturen denn auch die besten oder bloß die blödesten Claudia-Roth-Sottisen zitierten, während die helle Stimme ihrer Parteichefin noch im Saal hing. CDU - "richtungslos im sozialen Eismeer": zu klischiert? FDP - "parlamentarischer Arm der Heuschrecken": schon abgenutzt?

Aber da brach schon die neue Analyse des Onlinezeitungsportals über den Parteitag herein: Linksrutsch! Linksrutsch? Der Parteitag hatte doch eigentlich gerade erst angefangen? Einige ProtagonistInnen vom Linkenflügel nahmens als Steilvorlage und erklärten, warum sie sich schon wieder in jeder Hinsicht durchgesetzt hatten. Andere witterten Gefahr: Zu frühe Online-Siegesbekundungen könnten dazu führen, dass alle Journalisten nur noch mit den Realos sprechen wollen.

Natürlich waren Parteitage immer schon Inszenierungen, nicht umsonst spricht man von der "Parteitagsregie". Diese ist nicht nur dafür zuständig, dass jeder Streit unter Kontrolle und der Zeitplan eingehalten bleibt - ab zehn ist Party! Speziell die Grünen-Regie lässt stets auch "spontane" Demonstrationen vorm Parteitagspodium von Atom- oder Autobahngegnern mit bunten Schildern, gelben Tonnen oder weißen Anzügen aufmarschieren. Futter für die Kameras. Selbstverständlich wurde um den Pulk der Delegierten herum stets bis zur letzte Minute darum gerungen, den Journalisten die eigene Deutung der Ereignisse mitzugeben.

Sollte allerdings die Geschwindigkeit, in der die Berichterstattung über Parteitage zum Teil der Parteitage wird, noch zunehmen, könnte man sie auch gleich als Blog ins Internet verlegen. Die Printjournalisten und interessierte Parteimitglieder könnten sich hinterher zum Grillen verabreden.

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21 Kommentare

 / 
  • AD
    Axel Dörken

    Der Parteitag als Blog. Geniale Idee. Wenn nicht bereits geklaut... weiß ich nicht.

     

    Allerdigns fände ich die genialste Idee, den Parteitag sowohl als Blog, in der so genannten virtuellen Welt, als auch in der so genannten "Realität" abzuhalten. Viel mehr Menschen könnten teilhaben und noch mehr Menschen würde bewusst, dass wir stets eine virtuelle oder eine reelle Welt nutzen und diese Welt nicht in virtuell und real eingeteilt werden braucht, bzw. dass die entsprechende Teilung übermäßig die Ängste derer schürt, die nicht im Internet unterwegs sind.

  • MM
    Meine Meinung

    Bio, wenn ich das schon höre, ist doch verarsche pur, an allen Ecken, und die meisten fallen darauf rein, so wie viele auf die Grünen mal reinfielen und sie wählten, wie ein ehm. Parteimitglied jüngst im TV sagte, die Grünen waren damals geil auf's regieren, wie wollten sich an der Leine vorführen lassen.

    Und einige dieser Gesichter sieht man heute immernoch, von daher, unwählbar für mich !

     

    Die Parteitage als Blog abhalten, no way, dann kann doch niemand Fahrtkosten oder Spesen abrechnen...

  • B
    BENHUR

    H@llo Ulf: Ich glaube, du hast recht. Überholen ist manchmal schwer, sich überholen zu lassen aber manchmal noch schwerer ;-)

     

    Vom Layout her gefallen mir aber die Seiten von robinwood.de und greenpeace.de und bund.net und wwf.de insofern noch besser, als sie z. B. die Hintergrundfarbe Grau vermeiden, was leider bei gruene.de nicht der Fall ist (und leider auch bei taz.de nicht),

    mal von anderen Dingen zu schweigen, wie dem tendenziell meistens zu engen Zeilenabständen, die einfach unbequem sind (und schön sind sie auch nicht).

  • UD
    Ulf Dunkel

    Ich werde das Gefühl nicht los, dass die taz-Printmedien-Redaktion neidisch ist auf das mediale Tempo und die Alertheit der Grünen im Web.

  • H
    h.petersen

    Es ist eine sehr gute Idee die Parteitage als Blog ins web zu verlegen: Dann bräuchten sich Teilnehmer und Gäste nicht erste danach zum Grillen verabreden, sondern währenddessen. Natürlich nur mit Biolebensmitteln.

  • H
    Hogart

    Die Freiburger Grünen haben sich vor der Gemenderatswahl gespalten. Nun gibt es neben den Grünen auch die Grüne Alternative Freiburg - GAF. Hier ein recht witzisches Video zu diesem Thema, das es auf den Punkt bringt:

    http://www.youtube.com/watch?v=m2uG0qYifeI

  • TW
    Till Westermayer

    Interessanter Kommentar. War auch da, war delegiert, war vielfach über Twitter auf dem Handy gebeugt (manchmal auch im Foyer im Gespräch vertieft). Trotzdem zwei Anmerkungen. Zum einen hat längst nicht jede im Netz die Reaktionen der Massenmedien verfolgt. Mir zum Beispiel war es viel wichtiger, wie der Parteitag auf Twitter wahrgenommen wurde - bis hin zur halleninternen Kommunikation (z.B. ein "Tweet"-Wechsel mit Reinhard Bütikofer @bueti über Arvid Bells Rede).

     

    Zweitens: eine richtige Konsequenz wäre nicht das Verlegen des Parteitags in ein Blog, sondern WLAN in ausreichender Bandbreite für alle (Delegierte hatte das nämlich nicht, nur Presse, BloggerInnen und die Partei selbst). Also "augmented reality". Wiederum weniger, um die Reaktionen der Massenmedien in Echtzeit zu verfolgen, sondern für die schnelle parteiinterne Kommunikation: Flügelstrategien, Gerüchte, Geläster, Richtigstellungen, Werbung um Unterstützung.

     

    Dann wäre das nicht nur eine Erschwernis für JournalistInnen, sondern eine ganz neue Möglichkeit, trotz Inszenierung innerparteiliche Demokratie (jenseits Kartenhebens und den wenigen Rede-Auslosungen) zu leben.

  • AD
    Axel Dörken

    Der Parteitag als Blog. Geniale Idee. Wenn nicht bereits geklaut... weiß ich nicht.

     

    Allerdigns fände ich die genialste Idee, den Parteitag sowohl als Blog, in der so genannten virtuellen Welt, als auch in der so genannten "Realität" abzuhalten. Viel mehr Menschen könnten teilhaben und noch mehr Menschen würde bewusst, dass wir stets eine virtuelle oder eine reelle Welt nutzen und diese Welt nicht in virtuell und real eingeteilt werden braucht, bzw. dass die entsprechende Teilung übermäßig die Ängste derer schürt, die nicht im Internet unterwegs sind.

  • MM
    Meine Meinung

    Bio, wenn ich das schon höre, ist doch verarsche pur, an allen Ecken, und die meisten fallen darauf rein, so wie viele auf die Grünen mal reinfielen und sie wählten, wie ein ehm. Parteimitglied jüngst im TV sagte, die Grünen waren damals geil auf's regieren, wie wollten sich an der Leine vorführen lassen.

    Und einige dieser Gesichter sieht man heute immernoch, von daher, unwählbar für mich !

     

    Die Parteitage als Blog abhalten, no way, dann kann doch niemand Fahrtkosten oder Spesen abrechnen...

  • B
    BENHUR

    H@llo Ulf: Ich glaube, du hast recht. Überholen ist manchmal schwer, sich überholen zu lassen aber manchmal noch schwerer ;-)

     

    Vom Layout her gefallen mir aber die Seiten von robinwood.de und greenpeace.de und bund.net und wwf.de insofern noch besser, als sie z. B. die Hintergrundfarbe Grau vermeiden, was leider bei gruene.de nicht der Fall ist (und leider auch bei taz.de nicht),

    mal von anderen Dingen zu schweigen, wie dem tendenziell meistens zu engen Zeilenabständen, die einfach unbequem sind (und schön sind sie auch nicht).

  • UD
    Ulf Dunkel

    Ich werde das Gefühl nicht los, dass die taz-Printmedien-Redaktion neidisch ist auf das mediale Tempo und die Alertheit der Grünen im Web.

  • H
    h.petersen

    Es ist eine sehr gute Idee die Parteitage als Blog ins web zu verlegen: Dann bräuchten sich Teilnehmer und Gäste nicht erste danach zum Grillen verabreden, sondern währenddessen. Natürlich nur mit Biolebensmitteln.

  • H
    Hogart

    Die Freiburger Grünen haben sich vor der Gemenderatswahl gespalten. Nun gibt es neben den Grünen auch die Grüne Alternative Freiburg - GAF. Hier ein recht witzisches Video zu diesem Thema, das es auf den Punkt bringt:

    http://www.youtube.com/watch?v=m2uG0qYifeI

  • TW
    Till Westermayer

    Interessanter Kommentar. War auch da, war delegiert, war vielfach über Twitter auf dem Handy gebeugt (manchmal auch im Foyer im Gespräch vertieft). Trotzdem zwei Anmerkungen. Zum einen hat längst nicht jede im Netz die Reaktionen der Massenmedien verfolgt. Mir zum Beispiel war es viel wichtiger, wie der Parteitag auf Twitter wahrgenommen wurde - bis hin zur halleninternen Kommunikation (z.B. ein "Tweet"-Wechsel mit Reinhard Bütikofer @bueti über Arvid Bells Rede).

     

    Zweitens: eine richtige Konsequenz wäre nicht das Verlegen des Parteitags in ein Blog, sondern WLAN in ausreichender Bandbreite für alle (Delegierte hatte das nämlich nicht, nur Presse, BloggerInnen und die Partei selbst). Also "augmented reality". Wiederum weniger, um die Reaktionen der Massenmedien in Echtzeit zu verfolgen, sondern für die schnelle parteiinterne Kommunikation: Flügelstrategien, Gerüchte, Geläster, Richtigstellungen, Werbung um Unterstützung.

     

    Dann wäre das nicht nur eine Erschwernis für JournalistInnen, sondern eine ganz neue Möglichkeit, trotz Inszenierung innerparteiliche Demokratie (jenseits Kartenhebens und den wenigen Rede-Auslosungen) zu leben.

  • AD
    Axel Dörken

    Der Parteitag als Blog. Geniale Idee. Wenn nicht bereits geklaut... weiß ich nicht.

     

    Allerdigns fände ich die genialste Idee, den Parteitag sowohl als Blog, in der so genannten virtuellen Welt, als auch in der so genannten "Realität" abzuhalten. Viel mehr Menschen könnten teilhaben und noch mehr Menschen würde bewusst, dass wir stets eine virtuelle oder eine reelle Welt nutzen und diese Welt nicht in virtuell und real eingeteilt werden braucht, bzw. dass die entsprechende Teilung übermäßig die Ängste derer schürt, die nicht im Internet unterwegs sind.

  • MM
    Meine Meinung

    Bio, wenn ich das schon höre, ist doch verarsche pur, an allen Ecken, und die meisten fallen darauf rein, so wie viele auf die Grünen mal reinfielen und sie wählten, wie ein ehm. Parteimitglied jüngst im TV sagte, die Grünen waren damals geil auf's regieren, wie wollten sich an der Leine vorführen lassen.

    Und einige dieser Gesichter sieht man heute immernoch, von daher, unwählbar für mich !

     

    Die Parteitage als Blog abhalten, no way, dann kann doch niemand Fahrtkosten oder Spesen abrechnen...

  • B
    BENHUR

    H@llo Ulf: Ich glaube, du hast recht. Überholen ist manchmal schwer, sich überholen zu lassen aber manchmal noch schwerer ;-)

     

    Vom Layout her gefallen mir aber die Seiten von robinwood.de und greenpeace.de und bund.net und wwf.de insofern noch besser, als sie z. B. die Hintergrundfarbe Grau vermeiden, was leider bei gruene.de nicht der Fall ist (und leider auch bei taz.de nicht),

    mal von anderen Dingen zu schweigen, wie dem tendenziell meistens zu engen Zeilenabständen, die einfach unbequem sind (und schön sind sie auch nicht).

  • UD
    Ulf Dunkel

    Ich werde das Gefühl nicht los, dass die taz-Printmedien-Redaktion neidisch ist auf das mediale Tempo und die Alertheit der Grünen im Web.

  • H
    h.petersen

    Es ist eine sehr gute Idee die Parteitage als Blog ins web zu verlegen: Dann bräuchten sich Teilnehmer und Gäste nicht erste danach zum Grillen verabreden, sondern währenddessen. Natürlich nur mit Biolebensmitteln.

  • H
    Hogart

    Die Freiburger Grünen haben sich vor der Gemenderatswahl gespalten. Nun gibt es neben den Grünen auch die Grüne Alternative Freiburg - GAF. Hier ein recht witzisches Video zu diesem Thema, das es auf den Punkt bringt:

    http://www.youtube.com/watch?v=m2uG0qYifeI

  • TW
    Till Westermayer

    Interessanter Kommentar. War auch da, war delegiert, war vielfach über Twitter auf dem Handy gebeugt (manchmal auch im Foyer im Gespräch vertieft). Trotzdem zwei Anmerkungen. Zum einen hat längst nicht jede im Netz die Reaktionen der Massenmedien verfolgt. Mir zum Beispiel war es viel wichtiger, wie der Parteitag auf Twitter wahrgenommen wurde - bis hin zur halleninternen Kommunikation (z.B. ein "Tweet"-Wechsel mit Reinhard Bütikofer @bueti über Arvid Bells Rede).

     

    Zweitens: eine richtige Konsequenz wäre nicht das Verlegen des Parteitags in ein Blog, sondern WLAN in ausreichender Bandbreite für alle (Delegierte hatte das nämlich nicht, nur Presse, BloggerInnen und die Partei selbst). Also "augmented reality". Wiederum weniger, um die Reaktionen der Massenmedien in Echtzeit zu verfolgen, sondern für die schnelle parteiinterne Kommunikation: Flügelstrategien, Gerüchte, Geläster, Richtigstellungen, Werbung um Unterstützung.

     

    Dann wäre das nicht nur eine Erschwernis für JournalistInnen, sondern eine ganz neue Möglichkeit, trotz Inszenierung innerparteiliche Demokratie (jenseits Kartenhebens und den wenigen Rede-Auslosungen) zu leben.