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Grüne und SPD einig bei Stuttgart 21Die Volksabstimmung kommt

Damit ist der Weg für die grün-rote Koalition in Baden-Württemberg frei: Beide Parteien wollen, dass die Bürger über den Tiefbahnhof entscheiden. Bis dahin gilt ein Bau- und Vergabestopp.

Nachdem die Kuh vom Eis ist, geht es auf die letzten Meter der Koaltionsgespräche: Winfried Kretschmann (Grüne, l.) und Nils Schmid (SPD). Bild: reuters

SUTTGART taz | Die künftige grün-rote Koalition in Baden-Württemberg hat am Mittwoch einen wichtigen Durchbruch erzielt: Nach drei Verhandlungsrunden konnten sie den Streit um den Umgang mit Stuttgart 21 beilegen. Im Oktober dieses Jahres soll es eine Volksabstimmung zu dem Bahnprojekt geben. „Die Bürgerinnen und Bürger sollen entscheiden“, sagte der designierte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne).

Bei dieser Abstimmung wollen die Grünen auch das hohe Quorum akzeptieren. Dieses sieht vor, dass mindestens ein Drittel aller Wahlberechtigten gegen Stuttgart 21 stimmt, womit die Erfolgsaussichten der S21-Gegner minimal sind. Vor der Abstimmung aber wollen Grüne und SPD versuchen, ein Gesetz zur Absenkung des Quorums im Landtag durchzubringen. Dafür bräuchten sie eine Zweidrittel-Mehrheit.

Ein wichtiger Punkt für die Volksabstimmung ist aber, dass das Land nur über den Tiefbahnhof abstimmt, nicht über die mit ihm geplante Neubaustrecke nach Ulm. Die S21-Gegner hatten stets betont, dass die ICE-Trasse auch an einen sanierten Kopfbahnhof angeschlossen werden könnte. Die neue Landesergierung stehe zur Neubaustrecke, sagte SPD-Landeschef Nils Schmid.

Bis zur Volksabstimmung soll nach dem Willen der designierten Koalitionäre der Bau- und Vergabestopp verlängert werden. Diesen hatte die Deutsche Bahn bislang bis zur Wahl des Ministerpräsidenten am 12. Mai verhängt.

Außerdem folgt bis zur Volksabstimmung der Stresstest. Auf dessen Grundlage soll eine „aktualisierte Kostenrechnung von der Bahn eingeholt und von der Landesregierung geprüft werden“, sagte Kretschmann. Für den Stresstest will die Landesregierung eine größtmögliche Transparenz herstellen.

Weiterer wichtiger und bis dato umstrittener Punkt ist die Festlegung, dass sich das Land Baden-Württemberg nicht an Mehrkosten beteiligt, wenn die Gesamtkosten 4,5 Milliarden Euro übersteigen sollten. „Das war ganz entscheidend, diese Einigung mit den Sozialdemokraten zu erreichen“, so Kretschmann. Die 4,5 Milliarden waren von Seiten der Projektträger stets als Sollbruchstelle genannt.

Über Ostern verhandeln Grüne und Sozialdemokraten in der großen Verhandlungsgruppe weiter. Bis Dienstag wollen sie ihre Verhandlungen abschließen, um am Mittwoch der Öffentlichkeit den Koalitionsvertrag zu präsentieren.

Unterdessen haben Aktivisten der Parkschützer und von Robin Wood am frühen Mittwochmorgen mit einer Kletteraktion gegen Stuttgart 21 demonstriert. Am Neubau der Stadtbibliothek nahe des Hauptbahnhofs entrollten sie ein großes Banner mit der Aufschrift: „Augen auf, Herr Ramsauer: S21 ist eh schon tot!“ Mit dieser Aktion wollten sie den Bundesverkehrsminister von der CSU daran erinnern, dass Stuttgart 21 schon immer ein Immobilien-Projekt gewesen sei und kein verkehrspolitisch sinnvolles Bahnprojekt.

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12 Kommentare

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  • HG
    Herbert Gutzer

    Man kann in der Diskussion um S21 allgemein und hier im Forum grob 3 Fraktionen unterscheiden:

    Die, die eh für S21 sind und sich über jeden Knüppel zwischen den Beinen der S21-Gegner freuen...

    Die, die schon immer gewusst haben, dass die Grünen nichts Anderes als die klammheimliche Durchsetzung von S21 im Sinn hatten und sich über jeden Knüppel zwischen den Beinen der Grünen freuen...

    Und die, die vor allem S21 verhindern wollen (weil es in der Sache widerlegt ist!) und sich fragen, wie das wohl am besten zu erreichen sein könnte...

    Leicht zu erraten: Ich zähle mich zur letztgenannten Fraktion.

    Also:

    Das mit der Volksabstimmung haben wir wohl vergeigt. Ja: "Wir"! Es waren nämlich nicht nur Kretschmann und seine Grünen , die nicht gemerkt haben, dass das 33%-Quorum uns eigentlich keine Chance läßt.

    Auch sonst hat keiner rechtzeitig Laut gegeben, oder?

    Und eins kann ja wohl niemand von uns (S21-Gegnern) ernsthaft wollen: Dass Kretschmann in die Ypsilanti-Falle tappt! Er hat die Volksabstimmung vor der Wahl zugesagt und kann also nicht nach der Wahl etwas anderes sagen (man kann deswegen übrigens auch nicht von "Umfallen" sprechen.)

    Und im Übrigen: Das Quorum ist eine hohe Hürde. Aber wer sagt, dass sie nicht zu schaffen ist? Ein grüner MP in BW und die CDU nach 58 Jahren weg vom Fenster, wer hätte das gedacht? Wir haben keine Chance... nutzen wir sie doch!

    Und wir haben noch einige Eisen im Feuer, z.B:

    - ob 4,5 Milliarden-Grenze nicht doch gerissen wird, muss sich erst noch zeigen.

    - die Vorgabe aus der Schlichtung, dass die S21-Grundstücke der Spekulation entzogen bleiben müssen, dürfte für sich schon für das Aus sorgen, wenn sie denn durchgesetzt wird.

    Hoffen wir, dass Kretschmann diesen (und andere) Hebel geschickt nutzen wird, um uns alle vor dem S21-Unfug zu bewahren.

    Sicher könnte er uns auch hintergehen. Möglich ist das! Aber bisher hat er uns keinen Grund geliefert,das zu glauben. (Oder?)

    Im Gegenteil: Er macht durchaus den Eindruck eines ehrlichen Menschen.

    Ich wünsche ihm jedenfalls viel Glück, eine gute Portion Nervenstärke und durchaus auch ein Quantum Schlitzohrigkeit, ohne die es in der Politik nun mal nicht geht.

    Und der schlaue Herr Schmid von der SPD... Ob der sich wirklich darüber im Klaren ist, was er da eigentlich gerade tut?

  • MO
    Mark Obrembalski

    @Gosig Mus: Inwiefern fallen die Grünen hier um? Die haben sogar im Wahlkampf groß für eine Volksabstimmung plakatiert. Beschlossen wurde jetzt also genau das, was die Grünen angekündigt haben.

  • J
    jackfn

    @ Michael

     

    wie du geschrieben hast bawü hat über kernkraft und S21 abgestimmt. nur wenn man die abstimmung(landtagswahl) genau anschaut haben sich die bürger gegen kernkraft aber für S21 abgestimmt.

     

    für die k21 befürworter: über K21 muss dann auch eine volksabstimmung abhalten. und die kosten für k21 werden wenn man die strafzahlungen wegen s21 plus baukosten k21 zusammenrechnen. K21 wird auch nicht in den nächsten 10 jahren kommen da da alle rechtlichen und baurechtlichen schritte bei 0 beginnen....

  • GM
    Gosig Mus

    Die Grünen fallen also wieder bei einem Kernthema um. Toll. Wenn S21 von einem grünen MP gebaut wird, naja, dann gute Nacht. Hoffentlich emanzipieren sich jetzt die Bahnhofsgegner endlich massiv von der neuen/alten Regierung.

  • TH
    Thomas Herrmann

    Die Volksabstimmung ist das einzige, was die Grünen noch rettet. Sie werden diee nämlich verlieren und Stuttgart 21 kommt. Nur so können Sie dem Dilemma entkommen, dass sie als Partei, die für den Ausstieg generell wirbt (Atomkraft, individuelle Mobilität, S21, repräsentative Demikratie etc.), ihren Kopf aus der Schlinge zeiht und es Ihr nicht ergeht wie Ihrer Schwesterpartei der "a´dabei" FDP. S21 ist der Angelpunkt, an dem sich die politische Glaubwürdigkeit der Grünen entscheiden.

    Wie schön wäre es, wenn das Quorum nicht zusammen käme, oder das Wahlvolk zeigen würde, dass es nicht gegen S21 ist, zeigt man ihm doch nur die Konsequenzen eines Ausstiegs deutlich genug auf.

  • DP
    Daniel Preissler

    Liebe taz, ich zitiere hier die Frage (misamt dämlicher Antworten der Rubrik

     

    "Entscheidung des Tages"

     

    "Grüne und SPD in Baden-Württemberg sind sich einig: Die Bürger sollen über das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 per Volksentscheid abstimmen. Bis dahin gilt für den Tiefbahnhof ein Bau- und Vergabestopp. Finden Sie eine Volksabstimmung richtig?

     

    Ja. Nur so kann gerecht und im Sinne der Bürger über das Projekt entschieden werden.

     

    Nein. Die Entscheidung für den Bau des Bahnhofs ist lange getroffen, daran sollte jetzt nicht mehr durch einen Volksentscheid gerüttelt werden.

     

    Mir geht die Debatte um S21 einfach nur noch auf die Nerven."

     

    Es fehlt das Wichtigste: Ein VE ist nicht mehr nötig, da die Sachlage heute eine völlig andere ist, als es dem Landtag damals vorgelegt wurde. S21 ist tot!

     

    Bitte ergänzen! Das wäre nett!

    PS: Das soll keine Korinthenkacker-Meckerei sein, ihr habt hier wirklich versehentlich etwas Essentielles nicht berücksichtigt!

    freundliche Grüße,

    DP

  • WZ
    War zu erwarten

    Die Grünen, kaum gewählt schon umgefallen. Jetzt kommt S21 leider doch.

  • V
    vic

    Wenn überhaupt, wird nicht die Volksabstimmung, sondern das Kostenlimit von 4,5 Mrd. dem Tiefbahnhof den Hals brechen.

    Die Grünen übgrigens können nur gewinnen. Einerseits die Erwartungen der Wirtschaft erfüllen, andererseits die der Wähler.

  • D
    Daniel

    1. Die finanzielle Beteiligung eines Landes an Bahn-Projekten ist verfassungswidrig (s. Studie

    http://gruene-gegen-stuttgart21.de/wordpress/wp-content/downloads/Prof+Meyer_Gutachten+FinanzverfRechtl1010+END.pdf

    "16. Der Verstoß gegen Art. 104a Abs. 1 GG macht § 6 Abs. 2 Finanzierungsvertrag nichtig, da

    ein Vertrag die Verfassungsordnung nicht ändern kann. 17. Die vereinbarten Leistungspflichten des Landes entfallen. Soweit das Land schon geleistet

    hat, muss es das Geld zurückfordern. Der Bund kann sich nicht auf Entreicherung berufen." "22. Die Konsequenzen sind die Nichtigkeit des Finanzierungsvertrages, das Verbot weiterer

    Zahlungen und die Geltendmachung der geleisteten Zahlungen.").

    Die Grünen müssen wie versprochen vors Verfassungsgericht ziehen, gewinnen, S21 abblasen und bereits geleistete Zahlungen zurückfordern. Schadensersatzansprüche seitens der Bahn gibt es dagegen nicht.

     

    1b. Desgleichen gilt dummerweise auch für die Neubaustrecke. Auch diese ist als Bahnprojekt alleinige Sache des Bundes. Dennoch hat BaWü zum Zwecke der Vorziehung um vier Jahre illegal Finanzmittel zugesagt.

     

    2. Der festgelegte Kostenrahmen wird zweifelsfrei gesprengt werden. Der Stresstest ist dabei noch gar nicht berücksichtigt. Es resultiert ein außerordentliches Kündigungsrecht für alle Beteiligten, wiederum ohne jede Schadensersatzansprüche.

     

    3. Die einzige Volksabstimmung, die Aussicht auf Erfüllung des Quorums hat, ist die über die Abschaffung des Quorums, im Rahmen einer Modernisierung der einchlägigen Gesetze. Jedoch nicht ohne eine massive, konzertierte Kampagne aller Fürsprecher.

     

    3b. Wenn ein Quorum übrigens, wie Kretschmann sagt, "grundsätzlich nicht fair" ist, lohnt sich wiederum der Zug vors Verfassungsgericht.

  • H
    Holländer

    Ist so ein hoher Quorum nicht Verfassungswidrig? Das heißt in Praxis, dass nur die Gegner zur Wahl gehen werden. Und damit ist das Wahlgeheimnis ausgehebelt.

  • M
    Michael

    Die Volksabstimmung ist vereinbart . Eigentlich hatte das Volk ja gerade abgestimmt. Über den Bahnhof und die Kernkraft.

    Was in der Kernkraft möglich ist (umsteigen auf Sinnvolleres) sollte doch bei der Mobilität auch möglich sein.

    Jetzt wäre es doch an der Zeit, daß die Bahn demonstriert, daß sie an der besten Lösung interessiert ist. Denn bei den zu erwartenden Mehrkosten könnte denen doch nichts Schlimmeres passieren, als daß sich unerwartet zwar, aber nicht auszuschließen, eine Mehrheit für den Tiefbahnhof entscheidet. Also, liebe Bahner, zeigt Verantwortung, nehmt all Euer erworbenes Wissen aus der Schlichtung, und strickt ein neues Konzept mit der Schlichtungsgruppe. Das wird billiger und demokratischer ....

    Und ich fahre sofort auch mal solidarisch mit der Bahn nach Stuttgart,München, Berlin .... Weil, die Guten und Lernfähigen muß man unterstützen ...

  • B
    Bärbel

    Sehr gut das die Volksabstimmung jetzt kommt :-)

     

    Und ob mit oder ohne Quorum, wo ist denn da der Unterschied? Jeder der gegen S21 kann doch dagegen stimmen. Und wenn nicht genug Gegenstimmen zustande kommen ist wohl die Mehrzahl der BürgerInnen für den neuen Bahnhof.

     

    Ich hoffe das die DemontrantInnen dann den Willen des Volkes respektieren.