: Grüne im Castor-Streit
Auftakt-Demonstrationen gegen drohende Atommülltransporte nach Ahaus am Sonntag. Atomlobby weist Berichte über undichte Castor-Behälter zurück. Initiativen rufen zum Wahlboykott auf
VON ANDREAS WYPUTTA
Trotz jüngster Berichte über undichte Castoren halten Atomlobby und das sächsische Umweltministerium die drohenden Atommülllieferungen ins Zwischenlager Ahaus für sicher. „Schlichtweg falsch“ seien Vorwürfe von Anti-Atom-Initiativen, die Dichtungen der Castor-Behälter aus dem ehemaligen DDR-Forschungsreaktor Rossendorf bei Dresden seien durch zu fest angezogene Schrauben zerstört worden, so die Sprecherin des sächsischen CDU-Umweltministers Stanislaw Tillich. „Die Castoren sind selbstverständlich dicht“, sagt auch Michael Ziegler vom Brennelemente-Zwischenlager Ahaus.
Die Atomkraftgegner zitieren dagegen aus einer Studie der Bundesanstalt für Materialprüfung: „Bei bereits beladenen Behältern der Bauart Castor MTR2 ergab sich (...) eine rechnerische Überschreitung der zulässigen Ausnutzung der Streckgrenzen des Schraubenmaterials. Die maximalen Anziehmomente wurden entsprechend reduziert.“ Die strapazierten Dichtungen seien aber nicht ausgetauscht worden, so die Initiativen.
Die Behörden informierten die Öffentlichkeit nur unzureichend, sagt Felix Ruwe von der Bürgerinitiative (BI) Kein Atommüll in Ahaus: „Während das sächsische Umweltministerium sagt, an den Schrauben sei nichts verändert worden, erklärt das Bundesamt für Strahlenschutz, dass Schrauben ausgewechselt wurden.“ Das Bundesamt, direkt dem grünen Bundesumweltminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Jürgen Trittin, unterstellt, war gestern trotz mehrfacher Nachfrage nicht zu erreichen.
Während Trittin auf den Atomkonsens verweist und die Transporte um jeden Preis rollen lassen will, üben sich Nordrhein-Westfalens Grüne weiter im Spagat. „Absolut unsinnig“ seien die Atommülllieferungen, so der atompolitische Sprecher Rüdiger Sagel zu taz – die Castoren stehen in Ahaus nicht sicherer als in Rossendorf. Selbst Landesinnenminister Fritz Behrens (SPD) schätzt die Kosten des Polizeieinsatzes allein in NRW auf mehr als 50 Millionen Euro. „Hier werden Steuermittel verschwendet“, erregt sich der Münsteraner Landtagsabgeordnete Sagel kurz vor der Wahl.
Das ist auch nötig: Nordrhein-Westfalens Anti-Atom-Initiativen erneuern ihren Aufruf zum Wahlboykott. Die Atomkraftgegner rechnen fest mit einem Transporttermin kurz nach den Landtagswahlen und rufen zu einer Auftaktdemonstration in Ahaus auf. Parallel wird es auch Proteste in der sächsischen Landeshauptstadt Dresden und an den möglichen Transportstrecken geben. „Wir sehen keine andere Möglichkeit“, sagt BI-Sprecher Felix Ruwe. „Die Sicherheit der Menschen im Münsterland ist Landesregierung und Opposition doch völlig egal.“