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Grüne fordern EigenversorgungZwergenaufstand gegen Energieriesen

Die EnBW blockiert mit juristischen Spitzfindigkeiten den Ausbau effektiver Blockheizkraftwerke. Dahinter steckt die Frage, wer künftig die Macht auf dem deutschen Strommarkt hat.

Stellt sich quer: Der Stromkonzern Energie Baden-Württemberg. Bild: dpa

STUTTGART taz | Eigentlich könnte einem Stromkonzern wie der Energie Baden-Württemberg (EnBW) egal sein, was bei den Eigentümern eines Hauses in der baden-württembergischen Stadt Stetten im Keller steht: ein waschmaschinengroßes Blockheizkraftwerk (BHKW), das jedes Mal, wenn es für die Bewohner Wärme erzeugt, nach dem Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) aus Gas oder Öl auch Strom produziert. Allerdings steht das Minikraftwerk arbeitslos im Keller.

Die EnBW Regional AG weigert sich bisher, das BHKW ans Stromnetz zu nehmen. Zirka 40 Prozent ihres Stroms müssen die Bewohner weiterhin aus dem öffentlichen Netz beziehen, manchmal auch überschüssigen Strom ins Netz speisen.

Eigentlich sollen bis 2020 in Deutschland 25 Prozent des Stroms aus derartigen KWK-Anlagen kommen; derzeit sind es knapp 12. Sie sind wesentlich klimafreundlicher als Großkraftwerke, die die bei der Stromerzeugung anfallende Wärme nicht nutzen. Seit 2009 ist deshalb ein überarbeitetes Gesetz für KWK-Anlagen in Kraft: Es gibt nun nicht mehr nur einen Bonus für den Strom, Netzbetreiber müssen sie auch ohne Murren ans Netz nehmen wie eine Solaranlage auf dem Dach.

Allerdings zeigt sich inzwischen, dass das Gesetz mit juristischen Spitzfindigkeiten ad absurdum geführt werden kann. Günter Fuchs, Energieberater, ist darüber ziemlich verärgert. 36 Fälle wie den in Stetten hat er derzeit - ausschließlich dort, wo die EnBW Netzbetreiber ist. Die EnBW Regional AG argumentiert über einen Passus im Energierecht, wonach jeder Haushalt das Recht hat, an das von ihr verwaltete, öffentliche Stromnetz angeschlossen zu werden. Wenn nun in einem Haus ein Blockheizkraftwerk steht und von den Eigentümern betrieben wird, werden sie nicht nur ihr eigener Stromanbieter, sie betreiben dann auch ein eigenes Stromnetz: das im Haus. An dem ändert sich zwar baulich nichts, es gilt aber nun rein juristisch als privat. Also kann die EnBW ihrer Anschlusspflicht theoretisch nicht mehr nachkommen. Deshalb müsse jede Partei im Haus ein zweiseitiges Schreiben unterzeichnen, in dem sie auf ihr Recht auf Anschluss verzichtet. Vorher gehe die KWK-Anlage nicht ans Netz.

Fuchs sagt, das sei den Hausbewohnern so schwer vermittelbar, dass meist irgendeiner nicht unterschreibt. Zudem, so Fuchs, sei es völlig egal, wem das Netz im Haus gehört. Jede Wohnung verfüge nach wie vor über einen eigenen Stromzähler, weshalb jeder seinen Stromanbieter immer noch frei aussuchen kann. Das neue KWK-Gesetz stelle sicher, dass das so bleibt, denn das sei das einzig relevante Kriterium für die Hausbewohner. Die EnBW blockiere und verzögere bewusst; eine Kritik, die ein Unternehmenssprecher als "völlig unberechtigt" zurückweist.

Ein besonderes Interesse an KWK-Anlagen kann die EnBW jedenfalls nicht haben, denn das Unternehmen gehört zu den größten Stromproduzenten. Je mehr dezentrale Stromversorgung, desto weniger Stromabnehmer für ihre Großkraftwerke. Zudem verdient der Konzern an den Gebühren, die jeder zahlt, damit der Strom zu ihm geleitet wird. Auch die entfallen mit BHKWs zu Hause weitgehend.

Zwei identische Projekte aus den Jahren 2003 und 2004 habe die EnBW Regional AG noch problemlos ans Netz genommen, sagt Fuchs - bevor sie einen durch die Politik ausgelösten Boom von KWK-Anlagen fürchten musste. In Gebieten, in denen kommunale Stadtwerke die Netze verwalten, gebe es keinerlei Probleme - schließlich haben die Kommunen Interesse daran, Energie vor Ort zu produzieren.

Deshalb wollen die Grünen in Baden-Württemberg eine Art Zwergenaufstand. Sie fordern, dass möglichst viele Kommunen ihre Stromnetze wieder selbst verwaltenr. Die meisten Verträge dazu laufen derzeit nach 20 Jahren aus, ähnlich wie auch in anderen Bundesländern. Für den Fall, dass eine Selbstverwaltung nicht möglich sein sollte, hat Bündnis90/Die Grünen einen Mustervertrag erarbeitet, in dem die Pflicht für Netzbetreiber verankert ist, erneuerbare Energien und dezentrale Energieerzeugung wie KWK-Anlagen auszubauen. Das würde die Macht auf dem deutschen Strommarkt neu verteilen - und Günter Fuchs das Leben erleichtern: Sollte sich die EnBW Regional AG nicht bewegen, will er noch diesen Monat eine einstweilige Verfügung gegen sie erwirken.

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6 Kommentare

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  • M
    Martin

    Wer die Abzocke der Energieriesen EnBW, Vattenfall, RWE, Eon in Bezug auf Gebühren für Netz- und Stromkosten kennt ist froh, dass es Menschen wie Herrn Fuchs gibt, die veruchen dem einhalt zu gebieten - auch vor Gericht - da die EnBW sich weigert BHKW´s an das öffentliche Netz zu nehmen und hierdurch geltendes Recht nicht umsetzten will. Dabei tragen die BHKW´s zur Reduzierung des CO2 ausstoßes bei, welches wiederum ein Ziel/Gesetz der CDU im Land und Bund ist. Und wer jetzt noch weiß, dass das Land BW Großaktionär bei der EnBW ist, könnte den Eindruck gewinnen, die EnBW macht was sie will oder der Schwanz wedelt mit dem Hund. Es kann jeder bei sich zu Hause mal schauen wie alt sein Stromzähler ist und wie oft er die Anschaffungskosten von ca. 60 Euro des geeichten Zählers seinem Strohmkonzern schon überwiesen hat. Nur so nebenbei, die Konzerne kalkulieren ganz offen mit einer Rendite von 20 % allein für ihr marodes Netz und die Milliardengewinne in ihren Bilanzen führen sie unverfroren auch auf Strompreiserhöhungen zurück.

    Wer mehr darüber erfahren möchte sollte sich die Sendung von Frontal 21 anschauen. http://www.zdf.de/ZDFmediathek/content/72746?inPopup=true

  • H
    harald

    Wenn der Titel Energieberater nur endlich geschützt würde. Dann dürften sich z.B. Verkäufer von Blockheizkraftwerken nicht auch Energieberater nennen. So zumindest bei H.Fuchs, Verkäufer der Fa. Schetter im Remstal. Geltende Gesetze und VErodrdnungen scheinen den Mann nicht zu interessieren. Er nutzt die Presse um Stimmung zu machen- während Zeitgleich Gerichte über die Fragen entscheiden. Gibt sich die Presse nun her, um öffentlichen Druck ( mit Falschmeldungen erzeugt) auf Gerichte aus zu üben?

  • F
    Florian

    Statt endlich die Energiewende einzuleiten, steckt EnBW weiter Milliardenbeträge in neue Kohlekraftwerke: in Dörpen, Karlsruhe, Stade, Düsseldorf, Mannheim ... Doch damit nicht genug, jetzt behindert der Konzern auch den privat finanzierten Ausbau zukunftsfähiger Energien. Da hilft nur eins: kein Geld mehr für den Klimakiller und AKW-Betreiber, sondern wechsel zu einem unabhängigen Ökostromanbieter! Empfehlenswert grade für Baden und Württemberger sind z.B. die Elektrizitätswerke Schönau aus dem Schwarzwald.

  • K
    kraftkerl

    Erstaunlich, wie die Konzerne immer wieder versuchen, die einzuschüchtern, die aus dem Kartell ausbrechen wollen. Denn solche Fälle gibt es schon eine ganze Weile (Beispiel:

    http://frontal21.zdf.de/ZDFde/inhalt/22/0,1872,7225590,00.html )

     

    Immerhin zeigt das, dass die Stromriesen sich von den Stromzwergen tatsächlich bedroht fühlen. Denn in Wirklichkeit tun die Konzerne mit ihren "Verbote" eher bellen als beißen: Versuche, die Selbstversorgung zu unterbinden sind immer wieder gescheitert, nachdem sich etwa die BKWK oder die Bundesnetzagentur eingemischt haben.

  • G
    Günther

    Es ist Sache der Justiz, den Willen des Gesetzgebers in der Praxis auch durchführbar zu machen. Es darf der Bürger nicht mit juristischen Spitzfindigkeiten des Energieversorgers alleingelassen werden. Frau Merkel, Sie sind dran.

  • M
    Maiblume

    Ja, den Vorschlag der ba-wü- Bündnisgrünen finde ich gut. Nicht kleinkriegen lassen! Mit gezielten Steinschleudertreffern wurde schon so mancher geharnischte Riese zu Fall gebracht.

     

    Die Energieriesen stecken bis heute noch nicht einmal 3/4, ja nicht einmal die Hälfte ihrer Gewinne in erneuerbare Energie.

     

    Mit ihren Milliardengewinnen könnten sie z. B. Geothermiekraftwerke bauen. Auch wäre es, um neue Flächenversiegelung zu vermeiden, überlegenswert, die mehr als 12.000 km deutsche Autobahnen auf durchschnittlich mindestens jeden zweiten km mit einem (je nach Windverhältnissen) 1- bis 2,5-MW Windrad zu überbrücken, wobei also der unterste Teil des Sockels eine mehrbeinige Konstruktion ruhen würde, die in die jeweiligen Seitenstreifen und Mittelstreifen an den jeweiligen Stellen eingelassen sind. Dadurch könnten mindestens 6.000 MW, ggf. sogar mehr als 12.000 MW neue Windkraftleistung fast ohne neue Flächenversiegelung installiert werden.