■ Grüne Vorstandsanwärterin im Osten nicht unumstritten: Ein Fall klassischer Parteiranküne
Glücklicherweise wird die Wahl der Ostquotenkandidatin Gunda Röstel bei der Kür zu den Parteisprecherposten der Grünen im Westen entschieden. Denn beim Ostländerrat bekam sie lediglich 11 der 19 Stimmen. Doch das strategische Interesse der westdeutschen Landesverbände an einer Vertreterin der Bündnisgrünen aus dem Osten wird bewirken, was die Ost-Bündnisgrünen nicht zustande brachten: die einvernehmliche Wahl einer Kandidatin aus deren Reihen.
Diesem Votum die deutliche Mehrheit zu versagen und zugleich die Kandidatin in ihrem Vorhaben zu bestärken: Das klingt paradox und belegt doch nur, daß die Ost-Bündnisgrünen tief ins Arsenal klassischer Parteiranküne gegriffen haben. Einen Stil haben sie damit adaptiert, den sie doch so gerne den sogenannten Etablierten zuschreiben.
Das führte eben zu jenem knappen Ergebnis, das auf den ersten Blick für Gunda Röstel wenig Gutes verheißt. Dennoch stand sie am Ende als die Stärkere da, gerade weil sich das Gremium so schwach präsentierte. Sie verkörpert einen neuen Typus vom bündnisgrünen Politiker aus dem Osten. Der ist vom Klischee des klagenden zottelbärtigen Bürgerrechtlers gleichermaßen weit entfernt wie vom Bild des parkabehangenen Naturschützers.
Ein Schaden für die Partei dürfte das wohl kaum sein. Wer so souverän einem Ost-Länderrat seinen Stempel aufdrückt, wird auch in der Lage sein, sich in der Bundesspitze zu behaupten. Sollte sie gewählt werden, wird sich über ihre Person in höherem Maße vermitteln, was die Ost-Bündnisgrünen wollen, als durch alle Länderratsbeschlüsse.
Am Ende hat sich nicht die Kandidatin, sondern das Gremium selbst durch diesen Streit zur Diskussion gestellt. Es müßte sich mit der Frage beschäftigen, an welchen politischen Zielen es seine Entscheidungen mißt und welches Anliegen der Ost-Bündnisgrünen noch eine überproportionale Präsenz in den Bundesgremien der Partei rechtfertigt. Erst wenn es darauf Antworten gibt, wenn es also nicht mehr nur von Abgrenzung zum Westen lebt, wird der Ostländerrat auch wieder eine bundespolitisch beachtete Rolle spielen. Dieter Rulff
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