piwik no script img

Grüne ModeLangsam in Friedrichshain

Felicia und Melchior Moss setzen auf langsames Wachstum und nachhaltige Produktion. Die Kollektion ihres Labels ist aber nicht nur grün, sondern auch lässig.

Biofashion soll nicht nur grün, sondern auch originell sein Bild: dpa

Die Bodendielen glänzen, der Wasserkocher blubbert, eine kubanische Band säuselt warme Klänge in den Raum. "Noch jemand Tee?", fragt Melchior Moss lächelnd in die Runde. Seine Schwester Felicia sitzt auf dem Sofa, hält, ebenfalls lächelnd, ihre dampfende Tasse in die Höhe. "Danke, ich hab schon." Bei der Modemarke Slowmo gehört die heimelige Wohnzimmeratmosphäre zum Markenkern. Statt zwanghafter Hipness und schriller Deko gedämpfte Farben, bequeme Sessel und ein paar Maßpuppen aus Holz.

Über dem gebrauchten Sofa hängt ein Diplom der Modeschule Esmod. Dort studierte Felicia Moss, bevor sie 2006 zusammen mit ihrem Bruder das Label Slowmo gründete. Lässige Sportswear mit einem Schuss Avantgarde für Frauen und Männer, das war die Idee. Für die erste Musterkollektion räumte Felicia Moss gleich zwei Preise ab, ihr Bruder stieg ein und ist seitdem für Marketing zuständig. Seitdem wächst Slowmo, wenn auch in "Slow Motion", also ganz langsam. Langsamkeit gehört ebenso zum Konzept des Geschwisterpaars wie ein durch und durch nachhaltiger Produktionsprozess. Slowmo ist ganz selbstverständlich "öko" und "fair" - ohne darüber die Lässigkeit zu verlieren. "Casual Organic" nennen die beiden ehemaligen Waldorfschüler ihre Mode.

"Bio ist für uns eine Notwendigkeit, es ist einfach die Lebenseinstellung, mit der wir groß geworden sind", sagt die 28-jährige Felicia achselzuckend. Selbstverständlich stamme die Biobaumwolle aus einem kleinen Farmprojekt in der Türkei. Selbstverständlich fahre man regelmäßig dorthin, um sich von den Arbeitsbedingungen und der trinkwasserschonenden Anbauweise zu überzeugen. Und natürlich lasse man in Berlin nähen, in einer kleinen Schneiderei in Schöneberg.

"Slowmo" stellt her, was in der Modewelt lange als unmöglich galt: Klamotten, die allen am Produktionsprozess Beteiligten gute Arbeitsbedingungen bieten sollen und auch noch die Umwelt schonen. Und die trotzdem schick und bezahlbar sind. Das geht natürlich nur mit einem ungewöhnlichen Geschäftsmodell: "Ein stimmiger Kreislauf, der nicht auf ständige Gewinnmaximierung setzt, sondern darauf, Leute glücklich zu machen", erklärt der 26-jährige Melchior Moss seine autodidaktisch entwickelte Geschäftsphilosophie. Die Banken, bei denen er vorstellig wurde, waren davon durchweg entsetzt. "Die wollten utopische Gewinnmargen" - die Geschwister lachen noch heute über diesen Zusammenprall von Kreativität und Kapital. Jetzt machen sie es eben auf ihre Art. Dass sie bis heute wenig verdienen, die Bestellungen im Onlineshop selbst abwickeln und ihre Ware eigenhändig in rund 20 Läden zum Verkauf tragen, nehmen sie in Kauf.

"Wir wachsen lieber langsam, aber mit einer gesunden Basis", sagt Felicia und lehnt sich auf dem Sofa zurück. Hinter ihr formen schwarze Buchstaben das Motto von "Slomo": "Organic is not a fashion, its a commitment." Die Klarheit der Idee schlägt auch auf die Kollektion durch: Schlicht und schnörkellos im Schnitt, angenehm zu tragende Stoffe, vielseitig kombinierbare Farben. Giftiges Neon fehlt gänzlich im Sortiment, für wärmende Winterjacken experimentieren die beiden mit Stoff aus recycelten Plastikflaschen.

Der Mode sieht man das "Organische" nicht an - die eng taillierten Damenjacken und lässigen Streetwear-Herrenteile sind für junges Stadtpublikum gemacht, nicht für aus Prinzip ungeschminkte Oberstudienrätinnen. Doch auch solch oberflächliche Differenzierungen lässt Felicia Moss nicht gelten. "Ich bin stolz darauf, dass unsere Mode auch von immer mehr älteren Frauen getragen wird", betont sie. Das Geheimnis guter Mode sei ohnehin, sich zurückzuhalten und die Persönlichkeit des Trägers zu unterstreichen. "Die Wertigkeit muss wieder zurück in den Kleiderschrank", sagt sie und lüpft die Schutzhüllen über ihrer neuen Kollektion.

Um die 70 Euro kostet eins der flauschigen Baumwolloberteile, eine Winterwolljacke 260 Euro. Wie sich junge Leute das leisten sollen? "Secondhand, Kombinationstalent und ein paar teure, aber langlebige Stücke", doziert Moss und sieht dabei ein bisschen aus wie eine Oberstudienrätin. Allerdings eine verdammt gut angezogene. Mit ihrer Passion für Umwelt, Menschenrechte und coole Klamotten sind die Geschwister Moss längst nicht mehr allein. "Green Fashion" erfährt derzeit einen Boom - auf Ökomodemessen wie "thekeyto" und in "grünen" Modeläden bewegt sich Slowmo unter Gleichgesinnten. Die Richtung aber ändert sich nicht: ganz langsam und bedächtig nach vorn.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!