Grüne Kritik an SPD: "Wowereit ist nicht geeignet"
Der grüne Bundestagsabgeordnete Wolfgang Wieland über Wowereits Ambitionen im Bund und das Ziel der Grünen, 2011 stärkste Partei zu werden.
taz: Herr Wieland, Deutschland hat vier Jahre Schwarz-Gelb bekommen. Was heißt das für die Grünen?
Wolfgang Wieland: Das Wetter ist seit Sonntag schlecht, und die Fronten sind klar. Wir werden gegen vieles, was da kommen wird, schärfste Oppositionsarbeit machen. Stichworte sind: Ausstieg aus dem Atomausstieg, Umverteilung zulasten der sozial Schwachen, Klimapolitik.
Wolfgang Wieland, 61, zog am Sonntag zum zweiten Mal für die Grünen in den Bundestag ein. Bis 2004 saß er insgesamt 15 Jahre im Berliner Abgeordnetenhaus. 2001 war er Justizsenator im rot-grünen Übergangssenat unter Klaus Wowereit. bei der Brandenburger Landtagswahl 2004 war er Spitzenkandidat der Grünen. Sie scheiterten an der 5-Prozent-Hürde.
Das sind die Themen der Grünen. Die Wählerwanderung zeigt aber eine große Polarisierung - von der CDU zur FDP, von der SPD zur Linken. Wo stehen da die Grünen: in der Mitte?
Die Mitte ist ein guter Ort. Es war doch so, dass am Sonntag nur Schwarz-Gelb eine Machtoption hatte. Das muss zum nächsten Mal anders werden. Schwarz-Gelb wird dabei helfen, dass beim nächsten Mal Rot-Rot-Grün antreten wird.
Die Berliner SPD probt den Aufstand und will den Durchmarsch von Steinmeier verhindern. Wäre Wowereit eine Option für die Bundes-SPD?
Das sehe ich überhaupt nicht. Wowereit hat sich immer damit gebrüstet, er kaufe der Linkspartei den Schneid ab, indem er sie im rot-roten Senat bändige. Nun hat ihn die Linkspartei überflügelt. Wowereit wirkt zunehmend amtsmüde. Im indirekten Vergleich mit Platzeck zeigt sich: Der eine ist der große Kümmerer um die Dinge seines Landes; beim andern hat man den Eindruck, dass Dinge wie das S-Bahn-Desaster völlig an ihm vorbeigehen.
Auch ein gestärkter Klaus Wowereit wäre nur ein Gewinner unter Verlierern?
Ja, aber auch einen Fraktionsvorsitzenden Steinmeier halte ich nicht für geeignet. Steinmeier war ein Macher unter Rot-Grün, war ein qua Amt auf Mäßigung bedachter Außenminister und soll jetzt als Oppositionsführer den großen Hammer schwingen? Das glaube, wer will.
Mit wem möchten die Grünen in vier Jahren denn koalieren?
Das fragen Sie mich in drei Jahren nochmal. Für uns kommt es jetzt darauf an, weiter zu wachsen. Für uns ist Opposition nicht Mist, sondern der Dung, auf dem wir prächtig gedeihen. Wir werden auf vielen Feldern sehen, ob die Koalition ihre Versprechungen einlöst, zum Beispiel die FDP bei den Bürgerrechten. Allerdings müssen auch wir unsere Konzepte weiterentwickeln.
Zum Beispiel?
Wir sind gut aufgestellt, was Ökologie und Bürgerrechte angeht und auch grüne Wirtschafts- und Finanzpolitik. Wir schwächeln noch bei der Sozialpolitik. Wenn es nun einen Wettlauf zwischen SPD und Linkspartei gibt - wer will den höheren Mindestlohn? -, wird hier ein realistisches grünes Profil gefragt sein.
In Berlin nähert man sich langsam einem Vierparteiensystem der 20-Prozent-Parteien. Haben die Grünen das Ziel, zur Abgeordnetenhauswahl 2011 stärkste Partei zu werden?
Das Ziel haben wir. Das klingt jetzt noch vermessen. Aber es klang auch vermessen, als wir nach der Europawahl gesagt haben, wir wollen im Bezirk Mitte stärkste Partei werden. Das ist uns gelungen. Die Unzufriedenheit mit dem rot-roten Senat ist deutlich spürbar. Die SPD ist in Berlin noch mehr abgestraft worden als im Bundesgebiet. Sie macht keine Politik, die auf den gesellschaftlichen Dialog setzt, sondern denkt sich eine Schulreform aus, die sie direktivenmäßig durchstellen will. Auch hier sehe ich deshalb für uns keine Grenzen des Wachstums.
Mit Verlaub: Im Latte-macchiato-Bezirk Pankow lagen die Grünen bei den Erstimmen gerade mal auf Platz vier.
Da ist eine Entwicklung, die uns so nicht gefällt. Das hatten wir anders eingeschätzt. Pankow hat gezeigt, dass man für Erstimmen langfristig arbeiten muss. Das ist Stefan Liebich gelungen.
Werden die Grünen 2011 mit einer Kandidatin für das Amt der Regierenden Bürgermeisterin antreten?
Das zu sagen, ist zu früh. Das macht man dann, wenn man realistische Chancen hat, sonst landet man als Knallcharge wie seinerzeit Guido Westerwelle, der Kanzlerkandidat.
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