piwik no script img

Grüne Bewegung in IranGegen den Israel-Hass

Der versuchte Bruch der Gaza-Blockade hat Irans grüne Bewegung gespalten. Zwei offene Briefe zeigen: Vor allem Jüngere wehren sich gegen ein einseitiges Urteil.

Sie sind Patrioten, trotzdem stellt ihre Kritik Freiheit in den Mittelpunkt. Bild: rts

Diktatoren bei denen es zu Hause nicht mehr so rund läuft suchen oft auswärts nach einem Spektakel. So wollte das Regime in Teheran am gestrigen Sonntag gerne ein "Friedensschiff" nach Gaza schicken und blies dann seine Aktion ab, weil die Israelis nicht auf diese Provokation einfach nicht reagierten.

Dass die iranische Regierung eine eindeutige Haltung zur so genannten Friedensflottille - jenen Hilfsschiffen, die Ende Mai die israelische Gaza - Blockade durchbrechen wollten - hat, ist klar. Nun zeigt ein Briefwechsel zwischen Exil-Iranern, dass Israel-Hass vor allem bei Älteren in der iranischen Opposition noch verfängt, bei Jüngeren dagegen schon sehr viel weniger.

75 exil-iranische Intellektuelle verfassten einen 2010-06-05-09-34-55&catid=14:special:offenen Unterstützerbrief für die Blockadebrecher. Ihre These: Die pro -palästinensischen Aktivisten seien friedliebend und unbewaffnet gewesen. Und: "Die ganze Welt hat durch die Ereignisse [...] sehen können wie Israel von Natur aus nach Besatzung und Kampf strebt".

Gekrönt wird dieser Brief mit der Behauptung, das Vorgehen des israelischen Staates sei vergleichbar mit der Gewaltanwendung der Islamischen Republik.

Außerdem behaupten die Unterzeichner, die Grüne Bewegung im Iran zu unterstützen, die "Schulter an Schulter mit dem Widerstand der Palästinenser" und überhaupt mit allen "freiheitsliebenden Bewegungen dieser Welt" stehe.

Hinter dem Schreiben steht das Who is Who der iranischen Diaspora. Von Künstlern und Wissenschaftlern über Schriftsteller bis hin zu politischen Aktivisten reiht sich eine namhafte Persönlichkeit an die andere. Faraj Sarkuhi beispielsweise, der in Deutschland lebende Schriftsteller oder Shirin Neshat, eine Filmemacherin in New York, sind mit dabei. Der Soziologe und Journalist Akbar Ganji und seine Gattin Masoume Shafii, die ebenfalls in den USA leben, haben den Solidaritätsbrief auch unterschrieben. Das Spektrum der Unterzeichner reicht von Leuten wie Ganji, der als ein Unterstützer der iranischen Diktatur der ersten Stunde galt bis er sich mit dem Regime überwarf, bis hin zu eher linksorientierten Intellektuellen.

Der Großteil der 75 Exil-Iraner steht für eine Generation, die die islamische Revolution noch selbst erlebte und den Iran schon vor vielen Jahren verlassen hat.

Wenige Tage nachdem dieser Brief veröffentlicht wurde, verfasste eine Gruppe junger Iraner einen Gegenbrief. Diese kritisieren die Ausführungen der 75 Exil-Iraner als einseitig, ideologisch und gegen iranische Interessen gerichtet.

Die jungen Iraner beklagen in ihrem Schreiben, dass der Brief der 75 schädlich für die iranische Demokratiebewegung sei, gerade in einer Zeit, in der das Regime diese stark unter Druck setzt.

Es sei ein Fehler offensichtlich gewalttätige Menschen an Bord der Gaza-Flotte als Friedensaktivisten zu bezeichnen. Diese hätten die israelischen Soldaten beispielsweise mit Schlagstöcken angegriffen.

Die Gegenbrief-Schreiber fragen die 75 Unterzeichner von welcher grünen Bewegung diese eigentlich sprechen? Denn eine grüne Bewegung, die im vergangenen Herbst auf den Straßen Irans "Nicht Gaza, nicht Libanon - mein Leben für Iran!" als Protestruf gewählt hat, bewegt sich nicht in der Tradition des palästinensischen Widerstandes.

Die Verfasser des Gegenbriefes sind Menschen wie Saeed Ghasseminejad, ein junger Ingenieur, politischer Aktivist und Sprecher der liberalen iranischen Studenten.

Wie viele andere Unterzeichner dieses Briefes hat Ghasseminejad in jüngster Zeit den Iran verlassen und lebt nun in Paris. Er steht zusammen mit den anderen Unterzeichnern für die Generation der nach der Revolution geborenen Iraner - sie alle waren in den vergangenen Jahren an den Universitäten Irans politisch aktiv, teilweise inhaftiert. Sie haben die Grüne Bewegung entscheidend geprägt. Und sie gehören einer Generation an, die mit dem vorherrschenden Antiisraelismus und Antiamerikanismus der Vergangenheit gebrochen hat.

Ihre Kritik will die Freiheit in den Mittelpunkt stellen, patriotisch sein und zugleich das legitime Interesse anderer Nationen achten. Und sie möchte friedlich sein. Dass sich das Teheraner Regime dieser Bewegung bewusst ist, zeigt unter anderem folgendes: Nach der Gaza - Aktion traute sich die Regierung nicht, eine pro-palästinensische Demonstration in iranischen Städten zu organisieren. Sonst ein tragender Bestandteil der Propaganda des Regimes funktioniert diese organisierte Massenbewegung seit dem vergangenen Sommer nicht mehr störungsfrei: zu viele aus der Masse wenden sich inzwischen gegen das Regime.

Die jüngeren Briefeschreiber fragen die älteren wieso sie sich als die Vertreter der grünen Bewegung sehen und diese in eine Reihe mit dem palästinensischen Widerstand stellen.

Damit zeichneten sie der Welt ein falsches Bild des iranischen Widerstands - dieser sei friedlich ausgerichtet, und habe somit wenig Ähnlichkeit mit dem Widerstand der Palästinenser.

Ghasseminejad und seine Mitschreiber fragen: Sollen sich die Iraner bewaffnen und Terroranschläge verüben? Sollen sie sich die Methoden von Entführung, Erpressung und Hinrichtung aneignen, wie dies im militanten palästinensischen Kampf geschehen ist?

Die Sprache des Anti-Israel-Briefes erinnere allzu sehr an Rhetorik und Ideologie des iranischen Machthabers Ahmadinejad, schreiben die Gegenbrief-Verfasser. Sie glauben, dass Frieden und Stabilität für den Nahen Osten im iranischen Interesse sind. Darin inbegriffen sehen sie das Existenzrecht und die Sicherheit Israels und einen demokratischen palästinensischen Staat.

Und daher fragen sie auch die Gruppe der 75 : Wenn ihr von Palästina sprecht, welches Palästina meint ihr? Das von Mahmud Abbas oder das der Hamas?

Denn im ersten Brief ist keine Rede davon, dass die Hamas das Existenzrecht Israels anerkennen muss.

In den Augen der jungen Unterzeichner ist es zu einfach, den israelisch-palästinensischen Konflikt nur in Täter und Opfer zu unterteilen.

Sie schreiben: "Was immer der israelisch-palästinensische Konflikt ist - es ist ein Konflikt zwischen diesen beiden Parteien, weder die eine Seite noch die andere Seite hat vollkommen Recht oder vollkommen Unrecht und dieser Konflikt muss durch Verhandlungen von beiden Seiten gelöst werden."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

13 Kommentare

 / 
  • E
    Elisabeth

    @ Moritz, Martin,

    in welcher Welt lebt Ihr ? Guckt sich die vereinigte Deutsche Linke nur noch Palliwood an, oder seid Ihr auch mal an Infos interessiert?

    Schaut doch mal zur Abwechslung hier rein:

    http://www.youtube.com/watch?v=e6r-8hwu_X0

    Solche Leute wie Euch muss Kästner wohl damals gemeint haben:

    Große Zeiten

     

    Die Zeit ist viel zu groß, so groß ist sie.

    Sie wächst zu rasch. Es wird ihr schlecht bekommen.

    Man nimmt ihr täglich Maß und denkt beklommen:

    So groß wie heute war die Zeit noch nie.

     

    Sie wuchs. Sie wächst. Schon geht sie aus den Fugen.

    Was tut der Mensch dagegen? Er ist gut.

    Rings in den Wasserköpfen steigt die Flut.

    Und Ebbe wird es im Gehirn der Klugen.

     

    Der Optimistfink schlägt im Blätterwald.

    Die guten Leute, die ihm Futter gaben,

    sind glücklich, daß sie einen Vogel haben.

    Der Zukunft werden sacht die Füße kalt.

     

    Wer warnen will, den straft man mit Verachtung.

    Die Dummheit wurde zur Epidemie.

    So groß wie heute war die Zeit noch nie.

    Ein Volk versinkt in geistiger Umnachtung.

     

    (Erich Kästner)

    Zur Illustration:

    http://www.livingscoop.com/watch.php?v=MjM2

  • M
    Moritz

    Kritikern der israelischen Besatzungspolitik wird immer >Hass< unterstellt. Bei einem Israeli würde man nie behaupten, dass er ein Palästinenser-Hasser ist. Kritik an Irsael gilt fast ausschließlich als Antisemitismus. Kritik an den Palästinensern als völlig legitim. Gewalttaten der Israelis gelten als >Selbstverteidigung

  • S
    Stefan

    Die Feststellung, dass es von Dummheit zeugt, seinen Israel-Hass über die Liebe zum eigenen Volk zu stellen, scheint hier nicht ins Konzept zu passen.

     

    Es scheint wichtig, dass sich die Exilanten klar antisemitisch positionieren, damit sie nicht als "Spione Israels" bezeichnet werden können (...was sie sowieso werden - egal was sie machen). Auch der Westen und die Freiheit sollten verdammt werden, damit man nicht in den Verdacht gerät, vielleicht sogar gegen das Terror-Regime zu sein.

  • S
    schiwa

    @MAL

    Die so.g. Grüne-Bewegung im Iran wird vom Westen gesteuert und daher ist auch keine Demokratie oder Freiheitsbewegung sondern ein Destabilisierungsversuch durch den Westens um an Ressourcen vom Iran kommen zu können. Übrigens neuerdings hat der Westen eine andere Farbe entdeckt und zwar die Violett.

  • E
    end.the.occupation

    >> Die jungen Iraner beklagen in ihrem Schreiben, dass der Brief der 75 schädlich für die iranische Demokratiebewegung sei, gerade in einer Zeit, in der das Regime diese stark unter Druck setzt.

     

    Man geht sicher nicht fehl in der Annahme, dass ein Eintreten von progressiven Iranern für die Befreiung Palästinas von der Besatzung vor allem in einer Hinsicht schädlich ist: Schädlich für die Finanzierung dieser exil-iranischen Organisationen durch die USA und die EU.

     

    Iraner, welche für die Befreiung ihres Volkes vom Joch der reaktionären Theokraten um Ahmadinejad - UND für die Befreiung der Palästinenser kämpfen - die haben meinen Respekt.

     

    Jene die sich als Werkzeug der USA verdingen - die mitwerben für eine Bombardierung des Irans - und in den Startlöchern sitzen, darauf hoffend, dass die USA sie auf den Thron des Iran setzen werden - diese Leute verdienen nichts ausser Verachtung.

    Sie sind nicht nur Feinde Ahmadinejads, sondern des iranischen Volkes.

  • M
    Mal

    Na, da ist die grüne Revolution ja doch weiter als die braune deutsche "Linke".

     

    Wundert mich nicht. Die deutsche "Linke" findet notdürftig verbrämten Antisemitismus ja auch viiiel wichtiger, als die Freiheitsbestrebungen im Iran zu unterstützen.

    Und gegen die Dringlichkeit abgelaufene Medikamente in den Gaza-Streifen zu schaffen, verblassen die marginalen Leiden vergewaltigter, totgeschlagener, aufgehängter und erschossener iranischer "Gegen-den-Wahlbetrug-Demonstrierer" natürlich.

    Verständlich.Man muß ja Prioritäten setzen.

     

    Die deutschen "Linken" sind wirklich die Lieblinge der Top-Models und Magersüchtigen weltweit:

     

    So viel fressen, wie man bei Kenntnisnahme der deutschen "Linken" kotzen muß, kann man einfach nicht.

  • ME
    Maximilian Eberl

    "von Natur aus ..."

     

    Ich wehre mich selbst permanent gegen die Gleichsetzung

    von Kritik an der Netanjahu-Regierung mit Antisemitismus.

    Dieser primitive Vorwurf stumpft mit seiner übermäßigen

    Nutzung rasant ab.

     

    Eine Formulierung aber wie "wie Israel von Natur aus

    nach Besatzung und Kampf strebt" sind eindeutig über

    der Linie.

     

    Ich verstehe, dass sie Oppositionellen versuchen,

    in einer Sprache zu reden, die das indoktrinierte

    Volk kennt. Umso mehr ist der Mut der anderen zu

    achten, zumal sie vom Regime sicher sofort als

    "zionistische Spione" markiert werden.

     

    Die Fanatiker und Konfliktheizer auf beiden

    Seiten arbeiten immer Hand in Hand.

  • P
    Passagier

    "In den Augen der jungen Unterzeichner ist es zu einfach, den israelisch-palästinensischen Konflikt nur in Täter und Opfer zu unterteilen.

     

    Sie schreiben: "Was immer der israelisch-palästinensische Konflikt ist - es ist ein Konflikt zwischen diesen beiden Parteien, weder die eine Seite noch die andere Seite hat vollkommen Recht oder vollkommen Unrecht und dieser Konflikt muss durch Verhandlungen von beiden Seiten gelöst werden."

     

    Kein Wunder, dass die grüne Revolution bei den deutschen Linken so ungelitten ist. Erst gegen den erklärten Erzfeind der USA protestieren und dann auch noch die Erbschuld Israels anzweifeln. Das geht ja gar nicht!

  • R
    Rubbia

    Wäre schon interessant zu wissen, wieviele der Unterzeichner des "Jugendbriefes" extremistischen Organisationen angehören oder ihnen nahestehen.

  • M
    Martin

    Wenn ich den Bericht richtig verstehe, Frau Farzan, ist die Verurteilung des Militärangriffs Israels auf die Hilfsschiffe für Gaza in internationalen Gewässern, die Erschießung von 9 Passagieren, die Inhaftierung, das Schlagen und Ausrauben der anderen Passagiere des Konvois(laut Bericht von Mankell) einseitig und zeige 'Israel-Hass'!? Nehmen wir an, dass der Iran Schiffe auf internationalen Gewässer vor seiner Haustür bei der Strasse von Hormuz überfällt, Passagiere erschießt, die anderen inhaftiert, schlägt und ausraubt? Das wäre dann für Sie auch ok? Kein Anlaß für Kritik? Kein Anlaß für Ablehnung, denn das wäre 'einseitiger Iran-Hass'? Immer in den Kopf rein mit den Kugeln? So macht uns das Spaß!? Ob israelische oder iranische Militärs oder Paramilitärs? Alles ok. Oder irre ich mich? Nur die israelischen Mordkugeln sind legitim? Und warum? Aber jetzt sagen Sie nicht: 'Juden dürfen das'. Das habe ich viel zu oft lesen müssen. Und ich muß dann kotzen. Und das wollen Sie doch nicht?

  • O
    oroussos

    Es wäre schade, wenn die iranische Oppositionsbewegung zu einem Israel- oder Westen-Apologetiker wird, in ihrem Versuch von Ahmadinedshad zu distanzieren. Wenn sie um das Selbstbestimmungsrecht des iranischen Volkes kämpft, wäre sinnvoll dass sie auch das Bedürfnis des palästinensiches Volkes auch versteht. Und nicht einfach die westlichen Vereinfachungen um dieses Thema übernimmt.

    Ich hoffe dass die Meinungen, die im ersten Brief ausgedrückt werden ("der Älteren"), innerhalb der Bewegung dominant sind.

  • R
    Ralf

    Hat Frau Saba die pro-staatliche Demo Ende letzten Jahres nicht gesehen? Ode die am Grab von Khomeini? Oder zuvor in Februar? In welchem Traumland lebt sie?

  • S
    schade...

    ... dass der link zum gegenbrief nicht funktioniert.