: Grüne: Ausschuss ja, Vorurteile nein
Die Exregierungspartei rangelt mit den Freidemokraten darüber, was der Auftrag für die Geheimdienstuntersuchung sein soll. Liberale wollen rot-grüne Täuschungsmanöver aufdecken, Grüne die Fakten um CIA, BND und Al-Masri-Entführung klären
AUS BERLIN LUKAS WALLRAFF
Der zweite Anlauf beginnt. Nach der Entscheidung der drei Oppositionsfraktionen für einen Geheimdienst-Untersuchungsausschuss geht das Fingerhakeln um den Untersuchungsauftrag los.
Während FDP-Chef Guido Westerwelle erklärte, es müsse „aufgeklärt werden, ob die alte Bundesregierung die Öffentlichkeit getäuscht hat“, nannte ein Fraktionssprecher der Grünen als Bedingung für eine Einigung, der schriftliche Untersuchungsauftrag dürfe „keine Vorverurteilungen und keine politischen Wertungen“ enthalten.
Es sei jedoch „eine Unterstellung der FDP“, dass die Grünen nur die Aktivitäten einzelner Mitarbeiter untersuchen wollten, sagte der Grünen-Abgeordnete Wolfgang Wieland. „Auch wir halten es für nötig, die politische Verantwortung zu klären“, so Wieland zur taz. „Aber beginnen müssen wir mit den Fakten.“
„Für uns sind primär drei Komplexe ungeklärt“, sagte Wieland, der neben Christian Ströbele als möglicher Ausschussobmann der Grünen gehandelt wird. „Die CIA-Flüge, die BND-Zuarbeit an amerikanische Streitkräfte und einige Fragen im Zusammenhang mit der Entführung von al-Masri.“ Die Besuche deutscher Beamter in Guantánamo und in einem syrischen Gefängnis sähen die Grünen dagegen als „geklärt“ an.
Die Oppositionsparteien verfolgen gänzlich unterschiedliche Ziele: FDP und Linke wollen Rot-Grün im Nachhinein belasten, die Grünen natürlich nicht. Ein Scheitern der Verhandlungen kann sich aber kaum jemand vorstellen. Vor dem ersten Treffen der drei Delegationen gestern Abend hieß es bei den Grünen: „Die werden sich einigen müssen.“ Käme der Ausschuss wieder nicht zustande, wäre die gesamte Opposition blamiert.
Die Grünen, die im Januar eine Einigung verhindert hatten, geben sich nun kompromissbereit und gelassen. In Abwesenheit ihres Exaußenministers votierte die Fraktion gestern einstimmig für einen Ausschuss . Bei der letzten Debatte im Januar hatte Joschka Fischer einen U-Ausschuss abgelehnt, weil er ein reines „Kampfinstrument“ sei.
Mit ihrer Rolle als jetziger Opposition und früherer Regierung haben die Grünen dennoch weiterhin Probleme. Sie müssen mehr als andere auf Genauigkeit achten. Die Feststellung ihres eigenen Geheimdienstkontrolleurs Christian Ströbele, es habe „eine Unterstützung der US-Luftkriegsführung“ gegeben, bezog sich nur auf BND-Mitarbeiter – darauf legen die Grünen Wert.
Es habe „eine klare Weisungslage der rot-grünen Regierung an die BND-Agenten gegeben“, sagte Grünen-Chef Reinhard Bütikofer. „Wir lehnten den Krieg ab und nahmen nicht daran teil.“
SPD und Union erklärten einen Untersuchungsausschuss noch mal für überflüssig. CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer sagte, die Zusammenarbeit mit befreundeten Ländern wie den USA sei „eine Selbstverständlichkeit“. Sollte es dennoch einen Ausschuss geben, werde die Union als stärkste Fraktion den Vorsitz übernehmen. Im Übrigen warte die Union „mit großer Gelassenheit“ ab. Das darf man sogar glauben: Wenn überhaupt, dürfte Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) in Bedrängnis geraten. Steinmeier war als Kanzleramtschef unter Rot-Grün für die Geheimdienste zuständig und tat noch im Januar so, als sei es bei dem BND-Einsatz im Irak „um das Retten unschuldiger Menschenleben“ gegangen. Eine Haltung, die auch die früheren grünen Koalitionspartner nicht mehr nachvollziehen können. „Wenn weiter gesagt wird, das diente alles humanitären Zielen, kann ich nur den Kopf schütteln“, sagte Ströbele der taz.