: Grotesker Vorschlag?
■ betr.: "Wie standhaft ist der Hugenotte?", taz vom 30.4.90
betr.: „Wie standhaft ist der Hugenotte?“, taz vom 30.4.90
Ist der Vorschlag Gorbatschows, ein vereinigtes Deutschland solle zunächst Mitglied sowohl der Nato als auch des Warschauer Paktes sein, wirklich grotesk und zeugt von der Unsicherheit des Standpunkts und der Unhaltbarkeit der Positionen Moskaus?
Die linken Befürworter einer Nato-Mitgliedschaft Gesamtdeutschlands bei reformierter Nato-Strategie begehen einen Zirkelschluß: Ein gesamteuropäisches Sicherheitssystem mit Auflösung der Pakte erscheint kurzfristig nicht realisierbar, daher sei eine Nato-Mitgliedschaft Gesamtdeutschlands ein richtiger Schritt dorthin, wenn die Nato zuvor bestimmte Strategie- und Rüstungselemente ändere. Abgesehen von der Frage, ob die anderen Nato-Partner dazu überhaupt bereit sind, bleibt das Problem, welche Garantien für eine Unumkehrbarkeit dieser Änderungen Moskau denn erhielte als Gegenwert für seine Zustimmung. Solche Garantien können naturgemäß nicht in Nato-Beschlüssen bestehen, die auch wieder geändert werden können, sondern nur in völkerrechtlich bindenden Verträgen. Diese Verträge beinhalten aber im Kern eine gesamteuropäische Sicherheitspartnerschaft.
In dieser Lage wäre eine Doppelmitgliedschaft Gesamtdeutschlands in beiden Pakten ein ins System eingebauter Zwang, eine unhaltbare Konfrontation zu beenden. Unschwer vorauszusehen, daß sich andere, osteuropäische Staaten diesem Schritt Deutschlands anschließen würden.
Ulrich Memmler, Dörsdorf
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