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Großmutter gibt Tips

■ Gustavo Kuerten, Halbfinalist in Paris, ist ein charmanter Sandwühler

Paris (taz) – Pressekonferenzen mit Gustavo Kuerten machen Spaß. Der 20jährige Brasilianer lächelt nicht nur auf dem Platz seine Gegner an, auch danach freut er sich des Lebens. „Wo sind Ihre Haare geblieben?“ fragt eine französische Kollegin ein wenig traurig. Kuerten lacht und liftet sofort seine Kappe, um die langen Locken zu präsentieren. Der Überraschungshalbfinalist der French Open ist erst 20 Jahre alt, 1,90 Meter groß, dünn, trägt gelbe Schuhe und gibt jedem Frager das Gefühl, ehrliche Antworten in Englisch, Spanisch und Portugiesisch zu bekommen. Dazu macht der Mann mit dem deutschen Paß noch charmant PR für seinen Clan: „Dort sitzt mein Trainer Larri Passos. Larri, steh doch mal auf.“

„Oma sagt mir, wie ich spielen soll“: Gustavo Kuerten Foto: AP

Aus der Heimat sind gleich drei Freundinnen zur Unterstützung angereist, die sich in der Spielerbox die Seele aus dem Leib schreien. Dazu ist nach der zweiten Runde noch der große Bruder Rafael, ein Tennislehrer, gekommen. Eine wichtige Bezugsperson für ihn, nachdem der Vater, ein Tennisschiedsrichter, starb, als Gustavo acht Jahre alt war: „Meinem Vater widme ich meine Siege.“ Aber er sagt es ohne Pathos. Sein jüngerer Bruder ist behindert, die Mutter arbeitet in einer Einrichtung für behinderte Kinder im heimischen Florianopolis. Nachdem Gustavo so erfolgreich spielt, „tanzt sie jetzt mit den Kindern Samba“.

Seine deutsche Großmutter Olga Schlösser, die als Kind in Düsseldorf lebte und vor den Nazis nach Brasilien floh, „studiert alle Spieler“, erzählt Kuerten, und „sagt mir dann, wie ich gegen Becker, Sampras oder Kafelnikow spielen soll“. Für den russischen Titelverteidiger reichten Omas Tips. „Er ist der Shotmaker“, sprach Jewgeni Kafelnikow anerkennend, „er kann von jeder Ecke des Platzes einen Gewinnschlag anbringen.“ Gegen Kafelnikow wie gegen Thomas Muster lag er aussichtslos hinten und kämpfte beide in fünf Sätzen nieder.

Vor Paris konnte er auf Sand nur zwei Spiele gewinnen. Leicht verzweifelt fuhr er zurück nach Brasilien und spielte dort erfolgreich bei einem kleinen Challenger-Turnier, „um sich neues Selbstvertrauen zu holen“. Nun hat er heute die große Chance, gegen den belgischen Qualifikanten Filip Dewulf das Endspiel zu erreichen. „Im Halbfinale gibt es keine schlechten Spieler, das wird schwer“, gibt sich Gustavo Kuerten zurückhaltend. Und lächelt ein letztes Mal. Karl-Wilhelm Götte

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