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Großfusion auf dem Spielemarkt"Guitar Hero" trifft "World of Warcraft"

Der französische Medienkonzern Vivendi übernimmt den US-Spieleriesen Activision. Das Geschäft ist 19 Milliarden Dollar wert - und zeigt, dass die Daddel-Branche längst Hollywood überholt hat.

Ein Spiel für 9,3 Millionen: Der Vivendi-Klassiker "World of Warcraft". Bild: ap

Computer- und Konsolenspiele sind inzwischen ein gigantisches Geschäft. Das wurde einmal mehr am Wochenende klar, als der französische Unterhaltungs- und Telekommunikationsriese Vivendi bekannt gab, er plane die Übernahme des großen US-Spieleproduzenten Activision. Gesamtwert des Deals: Fast 19 Milliarden Dollar.

Vivendi, das bereits jetzt Besitzer des wichtigen Game-Herstellers Blizzard ist, wird damit zu einem der größten Spieleproduzenten der Welt. Oder um es mit den Worten der Daddelfans zu sagen: Die Rocker-Simulation "Guitar Hero" (Activision) trifft auf die Online-Rollenspielewelt "World of Warcraft" (Vivendi / Blizzard). Vivendi wird anfangs 52 Prozent des neuen, fusionierten Riesen halten, später dann 68 Prozent, hieß es aus Paris. Vivendi forme mit der künftig "Activision Blizzard" genannten Firma ein Unternehmen, das mit dem aktuellen Spielemarktführer Electronic Arts (EA) mithalten kann.

Der Kauf zeigt auch, dass die Branche sich mitten in einer großen Konsolidierungswelle befindet: Kleinere Spielehersteller werden von den Branchengrößen geschluckt, die die mächtigsten Vertriebs- und Marketinginfrastrukturen besitzen. Es geht dabei um das ganz große Geld: Längst schicken sich die Spielekonzerne an, die Filmbranche in Hollywood in Sachen Gewinn zu überholen. So wird Activision Blizzard 2007 einen gemeinsamen Umsatz von 3,8 Milliarden Dollar verzeichnen. "Eine Industrie mit enorm hohem Wachstum" nennt Vivendi das - eine Charakterisierung, die man im Kinogeschäft schon seit Jahrzehnten nicht mehr gehört hat.

Das geplante Geschäftsmodell von Activision Blizzard setzt zudem nicht nur auf den Verkauf teils wirklich teurer Spiele (so zahlt man für Konsolengames inzwischen 60 Euro pro Stück), sondern auch auf Abonnements. Wer etwa bei "World of Warcraft" seinen Charakter aufbauen und regelmäßig durch die Fantasielandschaft ziehen lassen will, bezahlt im Monat kleinere zweistellige Mitgliedsbeträge. Die kombinierte Firma halte damit nicht nur eine Spitzenposition bei Massenmarkttiteln, sondern auch bei Online-Games, tönte es aus dem Activision Blizzard-Lager daher stolz. Kombinieren beide Firmen ihre Unternehmen ohne Arbeitsplatzverlust, hätten sie insgesamt 6000 Angestellte - auch das zeigt die Größe, die die Spielebranche inzwischen angenommen hat. Waren die Games einst nur ein Nebengeschäft für Vivendi und der kleinste Sektor im Konzern, dürfte sich das nun schnell ändern.

Vivendi, zu dem unter anderem noch Anteile am Hollywood-Studio Universal gehören, sieht im Games-Sektor inzwischen "ein Kerngeschäft". Die Umsätze seien keineswegs klein, "auch nicht für eine Gruppe unserer Größe", sagte Firmenchef Jean-Bernard Levy dem "Wall Street Journal". Die Margen, die Vivendi Games samt Blizzard inzwischen erreicht, sollen bei 40 Prozent liegen - bei Umsätzen von 1,1 Milliarden Dollar im Jahr 2007 bedeutet dies einen angestrebten Gewinn von 520 Millionen. Zu den Spielen, die Activision verkauft, gehören neben "Guitar Hero" auch Titel wie "Spider-Man", "Tony Hawk" oder "Call of Duty". Blizzard entwickelte neben "World of Warcraft" auch noch weitere populäre Titel wie "Starcraft" oder "Diabolo". Allein bei "World of Warcraft" sind 9,3 Millionen Spieler vertreten. Vivendi hat sich zudem ein Portfolio anderer bekannter Spieleproduzenten angeschafft, darunter die traditionsreiche Adventure-Schmiede Sierra. "Electronic Arts hat damit nun einen direkten Konkurrenten", hieß es aus Analystenkreisen. Der Marktführer ließ sich unterdessen zu guten Wünschen hinreißen: "Viel Glück. Wir glauben aber, immer noch die stärkeren Hits zu haben", sagte ein Sprecher. Das Unternehmen hatte selbst in den letzten Jahren durch große Aufkäufe von sich reden gemacht.

Die Frage bleibt, ob die Kreativität der Spieleproduzenten im Rahmen derart großer Konglomerate leidet. Längst haben große Titel Budgets, die die von Hollywood-Filmen überholen. Für den Verbraucher dürfte das große Geschäft zu einem weiterhin unüberschaubaren Angebot neuer Titel führen. "Die Spielebranche ist ein enorm schnell drehendes Geschäft geworden", meinen Marktbeobachter.

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